# taz.de -- Reichsbürger in Deutschland: Alles andere als harmlose Spinner
       
       > Früher hielten sie sich für Könige und gründeten Fantasiestaaten mit
       > eigenen Ausweisen. Mittlerweile werden sie immer öfter gewalttätig.
       
 (IMG) Bild: Diese Flagge war auf dem Grundstück in Georgensgmünd zu sehen
       
       Berlin taz | Als die „Reichsbürger“ vor ein paar Jahren anfingen vermehrt
       von sich reden zu machen, wurden sie von den meisten zunächst verlacht: Sie
       traten als selbst ernannte Könige oder Reichskanzler auf, gründeten
       Fantasiereiche oder bastelten sich eigene Ausweise und Führerscheine – vor
       allem in den ostdeutschen Bundesländern bildete sich auf Grundlage kruder
       Verschwörungstheorien eine Szene, die sich zunehmend auch im Westen
       ausbreitet.
       
       Aber die „Reichsbürger“ sind alles andere als harmlose Spinner. Immer
       vehementer treten sie in Behörden, Finanzämtern, Stadtverwaltungen und
       Gerichtssälen auf. Seit einigen Monaten mehren sich Meldungen, dass
       „Reichsbürger“ Vertreter öffentlicher Einrichtungen der Bundesrepublik
       verbal oder tätlich angreifen. Zuletzt machte im August der Fall des
       früheren Mr. Germany, Adrian Ursache, Schlagzeilen, der in der Ortschaft
       Reuden in Sachsen-Anhalt seinen eigenen „Staat Ur“ ausgerufen hatte.
       Ursache setzte sich gegen eine geplante Zwangsräumung zur Wehr; rund ein
       Dutzend seiner Anhänger kamen ihm zu Hilfe. Als die Polizei eintraf, wurde
       sie mit Steinen beworfen. In der Folge kam es zu einem Schusswechsel; zwei
       SEK-Beamte wurden leicht verletzt, Adrian Ursache kam schwer verletzt ins
       Krankenhaus.
       
       Es gibt weitere, weniger spektakuläre Beispiele: Im April versuchte ein
       „Reichsbürger“ in Rostock, sich einer Verkehrskontrolle zu entziehen. Sein
       Auto erfasst einen Polizisten, der ein Stück weit mitgeschleift wurde und
       leichte Verletzungen davontrug. Vor allem Gerichtsvollzieher sind schon
       mehrfach Opfer gewalttätiger Angriffe geworden. Noch sind solche Vorfälle
       relativ selten. Sorge macht den Sicherheitsbehörden aber, dass Reichsbürger
       immer wieder versuchen, sich Waffen zu beschaffen – dem Verfassungsschutz
       Brandenburg zufolge haben viele sogar legale Waffen, weil sie – wie der
       Täter von Georgensgmünd – Sportschützen oder Jäger sind.
       
       Trotzdem wird längst nicht jeder „Reichsbürger“ als gefährlich eingestuft –
       unter ihnen gibt es Verschwörungsideologen, Esoteriker, verkrachte,
       frustrierte Existenzen, Geschäftemacher und notorische Querulanten, aber
       eben auch knallharte Rechtsextreme. Zudem bestehen sowohl Beziehungen zu
       Pegida als auch zur AfD, bei der mehrere „Reichsbürger“ Mitglied sind.
       Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie die Existenz der Bundesrepublik
       Deutschland nicht anerkennen; sie sei lediglich eine Firma, die von außen
       gesteuert wird, wahlweise von Geheimlogen, dem US-Finanzkapital oder
       Satanisten. Die BRD sei kein rechtmäßiger Staat, das Deutsche Reich
       existiere fort, meist in den Grenzen von 1937. „Reichsbürger“ fügen oft
       aber auch Versatzstücke anderer Verschwörungstheorien in ihre Weltsicht
       ein, etwa Chemtrails oder die Ufos des Dritten Reichs.
       
       Laut Verfassungsschutz gibt es in Brandenburg 300 „Reichsbürger“ – aber es
       wird von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen. Bundesweite Zahlen gibt es
       nicht. Die Szene ist zersplittert, es gibt eine Vielzahl von Gruppen,
       einige Initiativen agieren bundesweit, rivalisieren aber untereinander.
       Experten sprechen daher nicht von einer „Bewegung“, sondern von einem
       „Milieu“.
       
       Bislang beschäftigen „Reichsbürger“ vor allem die Ämter vor Ort mit
       seitenlangen Schreiben und Klagen, die keinerlei Grundlage haben. Ihr Ziel
       ist, die Behörden lahmzulegen – in den USA ist der Begriff „Paper
       terrorism“ für dieses Vorgehen gebräuchlich. Zunehmend kommen
       „Reichsbürger“ auch in Gruppen in die Ämter; sie setzen Beamte, aber auch
       Bürgermeister und Richter massiv unter Druck, filmen sie dabei und stellen
       die Mitschnitte ins Internet – für die Betroffenen eine große Belastung.
       Brandenburg hat deshalb ein neues Sicherheitskonzept in Kraft gesetzt: In
       den Ämtern wurden Sicherheitsschleusen und Notfallknöpfe installiert –
       nicht nur, aber vor allem wegen der „Reichsbürger“.
       
       20 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Maria Bergman
       
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