# taz.de -- Film-Komödie „Weiße Ritter“: Erst mal ein Bier
       
       > „Weiße Ritter“ erscheint wie ein Buddymovie: Zwei Kerle bringen einen
       > Koffer nach Luxemburg. Dann legt der Film gekonnt den Irrsinn
       > „Kapitalismus“ offen.
       
 (IMG) Bild: Haben Durst: Ritter Mike und Ritter Alfred
       
       Ein Koffer mit „Dokumenten“ soll von Köln nach Luxemburg gebracht werden.
       Der Auftraggeber, die Black Knights Ltd., besteht auf höchste Diskretion.
       Nach gelungenem Auftragsabschluss winken dem Transporteur weitere Aufträge.
       Der Köln-Luxemburger-Koffertransfer ist mithin ein Pilotprojekt – und
       außerdem: „Leben heißt Veränderung, Stillstand bedeutet Tod.“ Also lässt
       sich der angehende Subunternehmer Rasto einen Vertrag, der nur aus
       Kleingedrucktem besteht, und den Koffer über den Tisch reichen. Mit Stolz
       geschwellter Brust und in glänzender Audi-Firmenlimousine fährt der frisch
       gebackene Sozialaufsteiger vorm Colonia-Grill vor und heuert seine beiden
       Freunde Mike und Alfred samt deren Trabant als Subsubunternehmer an, um den
       Auftrag auszuführen.
       
       [1][„Weiße Ritter“ von Markus Mischkowski und Kai Maria Steinkühler] ist
       der achte Teil des Kölner Westend-Zyklus, den die beiden Regisseure 2001
       mit „Westend“ begannen. Die Filme des Westend-Zyklus sind kurze oder lange
       Ensemblefilme, immer Schwarz-Weiß, jeder Film eine kluge soziale Komödie,
       ohne in die Ödnis der Sozialkomödie abzugleiten. Wie die meisten anderen
       Episoden kreist auch „Weiße Ritter“ um die Absurdität von Marktmechanismen
       und neoliberaler Selbstzurichtung.
       
       Bevor Rasto seine beiden Freunde anheuert, wird er mit einem
       Grundrepertoire an Personalmanagementphrasen auf Karteikarten ausgestattet.
       Um maximale Kontrolle zu gewährleisten, verteilt er die Aufgaben zwischen
       den beiden Freunden. Mike wird „gebrieft“ und kann alsdann „die
       Verantwortung für den Steuerprozess“ übernehmen, Alfred fährt das Auto
       (gespielt werden die beiden Protagonisten von den Regisseuren). Bei einer
       kurzen Pause an einer Tankstelle stößt Anja zu ihnen, eine junge Frau auf
       der Flucht vor den sinnentleerten Sprachregelungen im Kundenkontakt.
       Gemeinsam fahren die drei durch die Nacht von Köln über die Eifel nach
       Luxemburg – und landen im Niemandsland. Denn eine Wegbeschreibung hat Rasto
       den beiden leider nicht gegeben.
       
       Wie die übrigen Filme der sogenannten Kölner Gruppe, zu der Mischkowski und
       Steinkühler zählen, ist auch „Weiße Ritter“ mit einem überschaubaren Budget
       ohne Fernsehbeteiligung entstanden. Freilich gelingt es Mischkowski und
       Steinkühler, die Einschränkungen der Produktionsbedingungen in eine
       Filmästhetik zu übersetzen. Die Tankstelle, an der sie Anja mitnehmen,
       strahlt inselgleich im sie umgebenden Dunkel. Durch geschickte
       Stilisierungen mit Licht und Schatten reihen sich statische Sequenzen des
       Trios im Auto zu einem Roadtrip durch die Nacht. Die Kunst von
       Mischkowski/Steinkühler besteht darin, all dies für die Struktur und den
       Rhythmus des Films fruchtbar zu machen.
       
       Der Humor der Westend-Filme speist sich aus der stoischen Schnodderigkeit,
       mit der die Figuren dem kapitalistisch beschleunigten Wahnsinn ihrer
       Umgebung begegnen. Gegen Ende von „Weiße Ritter“ kommt eine ganze Armada
       von Draisinen zum Einsatz. Bei Zusammentreffen mit den Figuren in
       Mischkowski/Steinkühlers Filmen verhalten sich die Zumutungen des
       Kapitalismus wie Draisinen, denen man die Gleise unter den Rädern
       weggezogen hat. Sie kommen nur noch stockend voran und offenbaren in
       entschleunigter Nahaufnahme ihre ganze Absurdität. Dass die Filme dennoch
       nie mit diesem Erkenntniseffekt enden, sondern mit einer
       lebensfreudig-schulterzuckenden Rückkehr in den Alltag der Protagonisten –
       darin liegt die eigentlich befreiende Wirkung der Filme von
       Mischkowski/Steinkühler. In ihren eigenen Worten macht das „Weiße Ritter“
       aus: „Film als Abenteuer, Ereignis und Verheißung …“
       
       13 Oct 2016
       
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