# taz.de -- FDP in Kreuzberg: Den Abstand zu Rumänien reduzieren
       
       > Parteichef Christian Lindner und Ex-Piratenchef Bernd Schlömer buhlen um
       > die Startup-Szene. Sie fordern mehr Mut zur Digitalisierung.
       
 (IMG) Bild: Auf Wahlkampftour in Berlin: FDP-Chef Christian Lindner
       
       Das Ambiente stimmt: Ein großzügiger Raum, ganz in weiß gehalten,
       Stehtische, die mehr nach Sektempfang als nach Imbissbude aussehen,
       lilafarbene Bodenstrahler, passend zum neuen Corporate Design der FDP. Auch
       die Menschen, wie erwartet: Junge Männer in weißen Hemden, gut frisiert und
       ausgestattet mit der Zuversicht von Jungunternehmern.
       
       Nur eines verwirrt: Vor der Tür ruckelt die U1 oberhalb der Skalitzer
       Straße, unten sitzt eine Motz-Verkäuferin, an den Laternen hängen Plakate
       von Grünen, Linken und DKP. Die FDP befindet sich hier – das kann man bei
       einem Bezirkswahlergebnis von 0,9 Prozent im Jahr 2011 sagen – in
       feindlichem Terrain.
       
       Der Ort ihrer Veranstaltung, das „Spielfeld Digital Hub“, wirkt wie eine
       Insel. Hier vernetzen sich Unternehmen mit Startups, zu meetups trifft man
       sich in community spaces und beschwört man den „district, der aufblüht in
       Sachen Innovation“, wie Geschäftsführer Thomas Rappes sagt. Für einen
       kurzen Moment wähnt man sich fast im Silicon Valley, nicht in Kreuzberg 36.
       
       Das zum Jahresbeginn neu eröffnete Zentrum ist indes der passende Ort für
       die Liberalen. Sie wollen zurück auf die politische Bühne – und setzen
       dafür auf das Thema Digitalisierung: Online-Bürgerämter, schnelle
       Breitbandverbindungen, Datenschutz.
       
       Die Begrüßung untereinander fällt freundlich aus, zwischen den Stuhlreihen
       wird über eine neue Umfrage getuschelt – sechs Prozent! Weil der
       Wiedereinzug ins Abgeordnetenhaus dennoch unsicher ist, wirft sich auch der
       Bundesvorsitzende Christian Lindner ins Getümmel.
       
       ## Ex-Pirat mit neuer Heimat
       
       Doch zunächst präsentiert ein anderes prominentes Gesicht seine
       Überlegungen zur digitalen Zukunft: Bernd Schlömer, bis 2013 Parteichef der
       Piraten, nun Spitzenkandidat der FDP in FriedrichshainKreuzberg.
       
       Auf einer kleinen Bühne trippelt er unaufhörlich von einer Seite zur
       anderen und beschreibt seine „Mega-Themen bis 2040“: Digitalisierung,
       Hybridisierung, Automatisierung. Zusammengefasst: Künstliche Intelligenz
       wird menschliche Arbeit ersetzen, selbst lernende Maschinen werden in alle
       Lebensbereiche vordringen. Schlömer, der im Hauptberuf für das
       Verteidigungsministerium arbeitet, ist überzeugt: „Die FDP nimmt sich
       dieser Zukunft an.“
       
       Diesen Eindruck will auch Lindner vermitteln. Er legt das Mikrofon beiseite
       und stellt sich mitten ins Publikum. Ein Politprofi zum Anfassen. „Wir
       haben ein Herz für Gründer“, sagt er zu Beginn und fixiert die um ihn herum
       Sitzenden, die alle ein wenig aufschauen müssen. Den jungen Innovativen,
       den Selbstverwirklichern gehöre die Leidenschaft der Liberalen.
       
       Für eine Partei, die lange als Anhängsel von Pharma- und sonstiger
       Großindustrie galt, sind das fast neue Töne. Plattform-Unternehmen wie
       Facebook oder Amazon, die marktbeherrschende Monopole bilden, will Lindner
       regulieren, dafür Selbstständige mit schwankenden Auftragslagen durch ein
       Bürgergeld stärken. Nicht bedingungslos versteht sich.
       
       Auch zu Berlin kann der Düsseldorfer Lindner etwas sagen. Der erste freie
       Termin für die Anmeldung der Zweitwohnung seiner Frau wurde erst nach
       Ablauf der gesetzlichen Ummeldefrist angeboten – das könne nicht sein. Die
       von anderen Parteien für 2025 angepeilte Digitalisierung auf den
       Bürgerämtern will die FDP sofort umsetzen.
       
       Überhaupt, alles muss schneller gehen: So fordert Lindner eine
       Glasfaserinitiative fürs Internet, statt der angepeilten
       Breitbandverbindungen mit 50 Megabit. Es gelte, „den Abstand zu Rumänien zu
       reduzieren“. Die Zuhörer fühlen sich gut unterhalten – ob das für den
       Wiedereinzug ins Parlament reicht, wird sich zeigen.
       
       12 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erik Peter
       
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