# taz.de -- Protest gegen Freihandelsabkommen: Es gibt bessere Argumente gegen Ceta
       
       > Zwingt das Abkommen uns wirklich Gentechnikessen und Chlorhühnchen auf?
       > Werden Kanadas Farmer unseren Bauern schaden?
       
 (IMG) Bild: Angst vor Chlorhühnchen? Nicht alle Sorgen der Ceta-Gegner sind berechtigt
       
       Berlin taz | Für viele Umweltschützer ist das ein Horrorszenario: Falls das
       Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (Ceta) in Kraft tritt, stehe
       „unsere gentechnikfreie Landwirtschaft mit strengen Regeln für
       Pflanzengifte und hormonfreies Fleisch auf dem Spiel“, warnt etwa der
       [1][BUND für Umwelt und Naturschutz]. Mit Sonderklagerechten könnten
       Konzerne Standards im Umwelt- und Verbraucherschutz aufweichen und
       „Verbesserungen deutlich erschweren“.
       
       Doch auf keiner der rund [2][2.300 Ceta-Seiten] steht, dass die Europäische
       Union mehr gentechnisch veränderte Pflanzen zulassen oder ihre Regeln dafür
       ändern muss. Es heißt auch nirgendwo, dass die Europäer ihre Gesetze
       aufgeben müssten, denen zufolge Lebensmittel mit Gentechpflanzen
       entsprechend gekennzeichnet werden müssen. [3][Das räumen sogar Ceta-Gegner
       wie Christoph Then ein], der in der Anti-Gentechnik-Szene einflussreiche
       Geschäftsführer des Vereins Testbiotech.
       
       Es gibt auch keine Klausel in Ceta, wonach die Europäer ihr Verbot aufheben
       müssten, mit Chlor desinfiziertes Hühnerfleisch oder mit Hormonen erzeugtes
       Rindfleisch zu verkaufen. Dieses Verbot ist auch der Grund, weshalb die
       Kanadier ihre Kontingente von zollfreien Rind- und Schweinefleischexporten
       in die EU wie bisher wohl kaum ausschöpfen werden. Obwohl der Vertrag diese
       Kontingente drastisch vergrößert.
       
       Ceta-Gegner warnen aber auch vor der „Regulierungszusammenarbeit“, die der
       Vertrag vorsieht. Dabei würden Beamte und Lobbyisten hinter verschlossenen
       Türen Gesetze aushandeln, bevor die Parlamente überhaupt davon erführen, so
       die Kritik.
       
       ## Die EU behält genug Spielraum
       
       Zwar verpflichten sich die EU und Kanada in Artikel 25.2 zu einem „Dialog“
       über „künftige Anträge auf Produktzulassungen“ und „neue Rechtsvorschriften
       im Bereich Biotechnologie“. Ziel des Dialogs sei die „Förderung
       effizienter, wissenschaftsbasierter Zulassungsverfahren“.
       
       In der EU dauern solche Verfahren teils viele Jahre und werden nicht nur
       nach technischen, sondern auch politischen Kriterien entschieden. Aber Ceta
       setzt nur ein unverbindliches Dialogforum ein, das keinesfalls Gesetze
       ändern oder über Zulassungsanträge entscheiden darf. Zudem definiert Ceta
       weder „effizient“ noch „wissenschaftsbasiert“. So bleibt genügend Spielraum
       für die EU.
       
       Der Vertrag wird Lobbyisten auch keinen relevanten Informationsvorsprung
       verschaffen. Denn die EU-Kommission informiert in der Regel schon jetzt im
       Internet über neue Projekte oder Anträge, lange bevor sie Verordnungen
       entwirft.
       
       „Die regulatorische Zusammenarbeit ist nur freiwillig“, sagt auch Johannes
       Klais, Sprecher des [4][Europäischen Verbraucherverbands Beuc], der Ceta
       ablehnt. „Deshalb haben wir nicht die großen Bedenken wie bei TTIP, dass
       durch diese Kooperation Gesetzgebung blockiert wird, die die Kommission
       gegebenenfalls zu bestimmten Pflichtkennzeichnungsthemen auf den Weg
       bringen würde.“
       
       ## Es gibt berechtigte Sorgen
       
       Beuc macht jedoch eine andere Gefahr aus: das in Ceta vorgesehene Gericht,
       das über Klagen von Investoren gegen Kanada oder die EU entscheiden soll.
       Damit könnten Konzerne tatsächlich Verbraucherrechte aushebeln, warnt
       Klais.
       
       Ceta verpflichtet in Artikel 8.10 etwa Deutschland zu
       Kompensationszahlungen, falls es kanadischen Investoren beispielsweise
       durch „gezielte Diskriminierung aus offenkundig ungerechtfertigten Gründen
       wie Geschlecht, Rasse oder religiöser Überzeugung“ oder durch
       „offensichtliche Willkür“ schadet. All das dürfte jedoch nicht zutreffen,
       wenn die EU etwa das Fleisch von Nachfahren geklonter Tiere verbieten würde
       – unabhängig von ihrem Herkunftsland. Oder vorschreibt, dass Lebensmittel
       von allen Tieren gekennzeichnet werden müssen, die gentechnisch verändertes
       Futter bekommen haben.
       
       Selbst der gern von Ceta-Gegnern zitierte Wirtschaftsvölkerrechtler Markus
       Krajewski sagt dazu: „Mir würde es schwerfallen, einen Fall zu
       konstruieren, in dem ein Unternehmen infolge einer
       Gentechnik-Kennzeichnungspflicht für alle Hersteller wegen Diskriminierung
       aufgrund von Geschlecht, Rasse oder Religion klagen könnte.“
       
       ## Ausgeschlossen sind Klagen nicht
       
       Aber „Willkür“ zum Beispiel sei im Vertrag nicht definiert. „Das ist ein
       gefundenes Fressen für Anwälte, die gut bezahlt werden.“ Außerdem könnten
       die EU und Kanada in einem gemeinsamen Ceta-Ausschuss einvernehmlich
       weitere Klagegründe festlegen – ohne die Parlamente. Ausgeschlossen seien
       solche Klagen deshalb nicht.
       
       Aber so groß wie Ceta-Gegner sie darstellen, scheint die Gefahr nicht zu
       sein.
       
       Trotzdem bleibt die Frage, warum hochentwickelte Staaten wie Deutschland
       und Kanada überhaupt ein Extragericht für Unternehmen brauchen. Stephan
       Schill, Wirtschaftsrechtsprofessor an der Universität Amsterdam und selbst
       in einem Verfahren Schiedsrichter, antwortet darauf: „Wir haben sogar
       innerhalb der EU sehr unterschiedliche Standards, was die Rechtssysteme
       angeht.“
       
       In Rumänien oder Italien etwa sei die Justiz nicht so effizient wie in
       Deutschland. Aber warum sollte dann auch die Bundesrepublik eine
       Sonderjustiz für Konzerne akzeptieren? Weil deutsche Unternehmen in Kanada
       dann eine von der dortigen staatlichen Justiz unabhängige Gerichtsbarkeit
       nutzen könnten, argumentiert Schill. Damit zieht er Kanadas
       Rechtsstaatlichkeit in Zweifel, was kaum einen Schiedsgerichtskritiker
       überzeugen dürfte.
       
       ## Eine echte Bedrohung für Milchbauern – in Kanada
       
       Das Abkommen ist auch eine echte Gefahr für kanadische Milchbauern. Denn
       Ceta erlaubt der EU, pro Jahr zollfrei 18.500 Tonnen mehr Käse als bisher
       in das nordamerikanische Land zu exportieren. Das ist mehr als das Doppelte
       des jetzigen Kontingents. Da etwa die deutschen Bauern nur rund 23 Cent pro
       Liter Milch bekommen, die kanadischen aber dank einer staatlichen
       Begrenzung der Produktionsmenge 50 Cent, wird die EU ihr Kontingent mit
       Sicherheit ausschöpfen.
       
       Sie wird [5][dann rund 8 Prozent des kanadischen Käsemarktes stellen], wie
       der Verband Dairy Farmers of Canada vorrechnet. Das würde die dortigen
       Farmen jedes Jahr insgesamt fast 102 Millionen Euro Einnahmen kosten.
       Erfahrungsgemäß können große Unternehmen solche Einbußen besser
       kompensieren als kleine. Am Ende trägt Ceta also zur Konzentration des
       Milchsektors bei – in Kanada.
       
       17 Sep 2016
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://aktion.bund.net/ceta-werden-wir-verhindern?utm_source=bundnet&utm_medium=teaser&utm_campaign=CETA
 (DIR) [2] http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/C-D/ceta-vorschlag-fuer-einen-beschluss-ueber-die-unterzeichnung-des-wirtschafts-und-handelsabkommens-zwischen-kanada-und-der-eu,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf
 (DIR) [3] /Gentech-Kritiker-zu-Handelsvertrag-Ceta/!5323517
 (DIR) [4] http://www.beuc.eu/
 (DIR) [5] https://www.dairyfarmers.ca/content/download/2102/30431/version/2/file/DFC-CETA-Handout_EN_2-1.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
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