# taz.de -- Wochenvorschau Berlin: Kleine Atempausen
       
       > An der Volksbühne weist ein Kunstwerk auf Kindesmissbrauch hin und das
       > Brandenburger Tor feiert seinen 225. Geburtstag.
       
 (IMG) Bild: Rummel vorm Brandenburger Tor, inklusive Kutschen
       
       Wer sich derzeit wegen des schönen, nicht zu kalten und nicht zu heißen
       Wetters und der angenehmen, ferienbedingten Leere bevorzugt mit dem Rad
       durch Berlin bewegt, der muss sich nicht automatisch über die Wahlplakate
       ärgern, die nun überall so penetrant ins Auge springen. Es gibt auch
       andere, durchaus interessantere Ansichten, an denen man kurz anhalten und
       verschnaufen kann.
       
       Auf der Fahrt durch Mitte könnte man beispielsweise kurz bei der Volksbühne
       verweilen und einen Blick in den schönen, transparenten Bücherpavillon am
       Rosa-Luxemburg-Platz werfen. Ab dem heutigen Montag wird dort ein Berg von
       geschredderten DVDs und CDs immer weiter in die Höhe wachsen. Das Kunstwerk
       des in Deutschland lebenden italienischen Künstlers Constantino Ciervo
       weist auf das gewaltige Ausmaß von Kindesmissbrauch in Deutschland hin. Es
       handelt sich bei dem Plastikberg nämlich um zerstörte Datenträger, auf
       denen Missbrauch als „Kinderpornografie“ abgespeichert wurde.
       
       Die Idee zu diesem Kunstwerk hat Ciervo mit einem
       Pädophilie-Präventionsprojekt der Charité entwickelt. Dieses Projekt heißt
       „Kein Täter werden“ und bietet Menschen mit pädophilen Neigungen die
       Chance, sich therapieren zu lassen und ihre Neigungen zu kontrollieren. Die
       Arbeit der 2004 gestarteten Einrichtung ist anerkannt, zehn Städte in
       Deutschland haben es übernommen, doch im Dezember endet die Förderung durch
       das Bundesjustizministerium – die weitere Förderung für 2017 ist bislang
       ungewiss.
       
       Ein weiterer Grund, mit dem Rad eine kleine Atempause in Mitte einzulegen,
       liefert in dieser Woche das Brandenburger Tor, das seinen 225. Geburtstag
       feiert. Am 6. August 1791 wurde es eröffnet – auch wenn damals noch die
       Quadriga fehlte, die erst zwei Jahre später aufs Tor gestellt wurde. Aber
       damals störte derlei Kleinkram offenbar noch keinen großen Geist.
       
       ## Von wessen Wunsch ist hier die Rede?
       
       Was heute dagegen offenbar viele Menschen stört, ist die Dauerparty rund
       ums Brandenburger Tor – von der Straßenkunst bis hin zu den Pferdekutschen.
       Kulturstaatsministerin Monika Grütters etwa empfindet die Vermarktung des
       eigentlich doch so staatstragend erinnerungsträchtigen Ortes als
       „rücksichtslosen Umgang mit unserer Geschichte“. Das ist ziemlich wohlfeil,
       denn nun, da das Einheits- und Freiheitsdenkmal am Schloss zu teuer und
       daher gekippt wurde, besinnt sich Grütters in einem Gespräch mit der
       Nachrichtenagentur dpa: „Wären wir von Anfang an anders damit umgegangen,
       wäre der Wunsch nach einem anderen Denkmal vielleicht nie aufgekommen.“
       
       Stellt sich nur die Frage, von wessen Wunsch hier die Rede ist. Traut Frau
       Grütters dem Volk etwa zu wenig zu? Wer weiß schon, was die Touristen
       denken, wenn sie am Brandenburger Tor herumlungern, sich selbst
       fotografieren, Silvester, Fußball oder Christopher Street Day gucken?
       
       Vielleicht erinnern sie sich auch ganz ohne pädagogische Anleitung und
       trotz all des Rummels um sie herum an die Mauer, die den Gang durchs Tor
       verhinderte. An den legendären Auftritt von Ronald Reagan im Jahr 1987, als
       er den russischen Präsidenten aufforderte: „Herr Gorbatschow, öffnen Sie
       dieses Tor!“ Oder an die Bilder aus der Nacht vom 9. auf den 10. November
       1989.
       
       Und sonst, liebe Radfahrer? Anfang der Woche bleibt es noch herrlich
       durchwachsen und lau, hin und wieder soll es auch regnen, aber angeblich
       kehrt ab Mitte der Woche der Hochsommer zurück. Da heißt es also wieder
       schwitzen – und vielleicht besser irgendwo pausieren, wo es weniger Kunst
       und Geschichte denn Schatten und kühle Getränke gibt.
       
       31 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Messmer
       
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