# taz.de -- Knast in Schleswig-Holstein: Beamte bleiben bewaffnet
       
       > Schleswig-Holstein wollte Schusswaffen aus den Gefängnissen verbannen.
       > Vor der Abstimmung sind die Regierungsfraktionen eingeknickt
       
 (IMG) Bild: Dürfen weiter Waffe tragen: Justizvollzugsbeamte in Schleswig-Holstein.
       
       Kiel taz | Die Idee vom Knast ohne Knarren ist vom Tisch. Mit ihrem neuen
       Gesetz für den Strafvollzug wollten Regierungsfraktionen SPD, Grüne und SSW
       eigentlich verbieten, dass Bedienstete in Schleswig-Holsteins Gefängnissen
       mit Schusswaffen unterwegs sind. Doch bei der abschließenden Beratung im
       Innen- und Rechtsausschuss eine Woche vor der Parlamentssitzung, bei der
       das Gesetz beschlossen werden soll, zogen sie das Pistolenverbot nun wieder
       zurück.
       
       Jetzt heißt es in dem Entwurf, dass Bedienstete auf Anordnung der
       Anstaltsleitung „Schusswaffen führen“ dürfen. Und zwar während des
       Nachtdienstes oder bei Transporten und wenn das zur „Abwehr einer
       gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben erforderlich ist“. Damit ändert
       sich also gar nichts.
       
       Grund für die Kehrtwende waren die öffentlichen Debatten und Proteste unter
       anderem von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Sicherheit und Ordnung in
       den Vollzugsanstalten wären grob fahrlässig gefährdet“, mahnte etwa
       Thorsten Schwarzstock, bei der GdP für den Justizvollzug zuständig.
       
       Wirklich nachvollziehbar sei das nicht, sagt Burkhard Peters, der für die
       Grünen im Innen- und Rechtsausschuss sitzt und sich die waffenlose Haft
       gewünscht hätte. Immerhin sei auch nach Angaben der Gewerkschaft seit 30
       Jahren keine Waffe in den Gefängnissen des Landes eingesetzt worden. Unter
       dem Strich würden „Schusswaffen in Anstalten weitaus mehr Gefahren
       verursachen als sie verhüten“, ist Peters überzeugt. „Doch am Ende überwog
       das subjektive Sicherheitsgefühl unsere rationalen Argumente.“
       
       Trotz des Oppositionsspotts über den Rückzieher – „slapstickartig“
       kommentierte etwa Heiner Garg (FDP) – betonen die innenpolitischen Experten
       der Regierungsfraktionen wie auch das Justizministerium die vielen
       Verbesserungen, die der Gesetzesentwurf enthalte. Unter anderem werden
       Gefangene künftig per Skype Kontakt zur Außenwelt halten können, in
       Einzelfällen kann Gefängnispersonal entlassene Täter weiter betreuen und
       die Haftanstalten sind verpflichtet, den Gefangenen eine gute Beziehung zu
       ihren Kindern zu ermöglichen.
       
       Der Piraten-Abgeordnete Patrick Breyer kritisiert aber auch einige Punkte:
       So dürfe Reizgas verwendet werden – „in geschlossenen Räume gefährlicher
       als Schusswaffen“, sagt er. Zudem erlaubt das Gesetz, dass Gespräche und
       Briefwechsel überwacht werden – die Piraten scheiterten mit dem Versuch,
       Berufsgruppen wie Seelsorger oder Ärzte davon auszunehmen.
       
       Für Streit sorgte aber vor allem die Erlaubnis, hinter Gittern private
       Kleidung zu tragen. Die Gewerkschaft der Polizei sieht darin ein
       Sicherheitsrisiko, weil in den Kleiderpaketen Waffen oder Drogen
       eingeschmuggelt werden könnten. Die Opposition befürchtet Mehrkosten, weil
       Personal eingestellt werden muss. Auch bestehe die Gefahr, dass schwächeren
       Häftlingen ihre Markenkleidung abgenommen und die „Armani-Jeans zur neuen
       Währung“ werde, sagte Garg.
       
       Justizministerin Anke Spoorendonk (SSW) und ihr Staatssekretär Eberhard
       Schmidt-Elsässer (SPD) versuchten vor dem Innen- und Rechtsausschuss, die
       Wogen zu glätten. Bereits jetzt dürften 375 der 1.191 Gefangenen im Land
       private Kleidung tragen, sagte Schmidt-Elsässer. Er verwies auf Hamburg und
       Niedersachsen, wo das Tragen privater Kleidung ebenfalls erlaubt sei – in
       Grenzen: „Rocker-Kutten sind verboten.“
       
       Spoorendonk betonte, dass nun das Parlament das letzte Wort habe.
       Anschließend werde das Ministerium Konzepte vorlegen, in denen praktische
       Fragen, etwa zum Waschen der Privatkleidung, geregelt werden. Eine Vorlage,
       die Barbara Ostmeier (CDU) genüsslich nutzte: Die Ministerin habe offenbar
       „kein Konzept für die Zukunft des Strafvollzuges“.
       
       Dass der Landtag in Kiel überhaupt ein Gesetz beschließen muss, ist eine
       Folge der Föderalismusreform, die diese Aufgabe vom Bund auf die Länder
       übertrug. Schleswig-Holstein hatte bisher nur Bereiche wie Jugendhaft oder
       Sicherungsverwahrung gesetzlich geregelt.
       
       14 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geißlinger
       
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