# taz.de -- Kommentar Neues Sexualstrafrecht: Danke, Gina-Lisa
       
       > „Nein heißt Nein“ wird endlich Gesetz. Der Fall der früheren Teilnehmerin
       > von „Germany's Next Top Model“ dürfte dazu beigetragen haben.
       
 (IMG) Bild: Das Model Gina-Lisa Lohfink im Juni in Berlin
       
       Das [1][hätte sich Gina-Lisa Lohfink nicht träumen lassen]: Dass
       ausgerechnet sie eine neue Feminismus- und Sexismusdebatte entfacht und
       womöglich ein Gesetzgebungsverfahren beschleunigt. Man darf davon ausgehen,
       dass die laufenden Verfahren um die Ex-Teilnehmerin bei „Germany's next
       Topmodel“ und ihre Vergewaltigungsvorwürfe dazu beigetragen haben, dass nun
       sogar noch vor der parlamentarischen Sommerpause ein „Nein heißt Nein“ im
       Sexualstrafrecht verankert wird.
       
       Ungeachtet dessen, dass Justizminister Heiko Maas (SPD) seine
       Reformvorschläge [2][schon länger in der Schublade hatte.] Und auch wenn
       die massenhaften sexuellen Übergriffe auf Frauen in der Kölner
       Silvesternacht die Forderungen nach schärferen Paragrafen seit Monaten
       befeuert haben.
       
       Nun haben sich Union und SPD endlich darauf geeinigt, dass es künftig schon
       ausreichen soll, die verbal oder anders geäußerte Ablehnung eines sexuellen
       Angebots zu missachten, um den Täter zu bestrafen. Es soll künftig also
       reichen, wenn das Opfer klar und deutlich Nein sagt, wenn es weint oder mit
       Handbewegungen an ihm vorgenommene sexuelle Handlungen zurückweist. Auch
       Grapschen, das unerlaubte Berühren im Genitalbereich, soll bestraft werden.
       So eindeutig ist das hierzulande bislang nicht geregelt.
       
       Sollte es tatsächlich zu einem „Nein heißt Nein“ im Gesetz kommen, wäre das
       ein echter Paradigmenwechsel im deutschen Sexualstrafrecht. Einen, den
       Frauen- und Menschenrechtsorganisationen, Frauenhäuser und
       -beratungsstellen, Juristinnen sowie aufgeklärte Politikerinnen seit
       Jahrzehnten fordern. Und den mittlerweile eine deutliche Mehrheit der
       Bevölkerung unterstützt – laut des jüngsten Deutschlandtrends für die ARD
       sind es 86 Prozent.
       
       ## Die Gesellschaft hat sich verändert
       
       Die hohe Zustimmung zur Verschärfung des Sexualstrafrechts zeigt auch, wie
       sich die Gesellschaft diesbezüglich gewandelt hat: Eine Vergewaltigung ist
       eine Vergewaltigung ist eine Vergewaltigung. So sehen das mittlerweile die
       meisten Menschen. Egal, ob das Opfer sich offen wehrt oder ob es die
       sexuelle Gewalt erträgt, weil es sich in einer Lage befindet, die keinen
       Widerstand zulässt. Etwa, weil im Nebenzimmer die Kinder schlafen und davon
       nichts mitbekommen sollen. Oder, weil offene Gegenwehr zu noch
       dramatischeren Folgen führen könnte, beispielsweise zum Mord.
       
       Ein „Nein heißt Nein“ räumt mit allen Vergewaltigungsmythen und Mythen zu
       Partnerschaftsgewalt auf: Sie wollte es doch auch, weil Sex „rein
       anatomisch“ nur funktioniert, wenn sie „mitspielt“. Sie hat stillgehalten,
       weil sie nicht „so heiß war“ wie er. Sie hat gar nichts gesagt – woher soll
       er denn wissen, dass sie nicht wollte? Sie kennt ihn doch, und
       Vergewaltigung gibt es nur zwischen Unbekannten. Sie ist selbst Schuld,
       warum zieht sie sich auch so sexy an? Außerdem hat sie ihn heftig animiert.
       Und dann noch dieses „Nein heißt eigentlich Ja“: Frauen wollen „erobert“
       werden und spielen daher ein bisschen Katz und Maus. Alles Quatsch.
       
       Vor 50 Jahren, als in Köln das erste autonome Frauenhaus entstand, konnte
       es sich der damalige Sozialdezernent Hans Erich Körner noch leisten zu
       behaupten, sexuelle und häusliche Gewalt existiere nicht. Männer, die so
       etwas täten, könnte man in einer einzigen Schubkarre wegfahren.
       Mittlerweile ist vielfach nachgewiesen, dass sexuelle Gewalt häufiger
       vorkommt, als an die Öffentlichkeit dringt. Jede vierte Frau zwischen 16
       und 85 Jahren erlebt einer Studie des Familienministeriums zufolge
       mindestens einmal in ihrem Leben körperliche und/oder sexuelle Gewalt. Jede
       siebte Frau kann von sexuellen Übergriffen bis hin zu einer schweren
       Vergewaltigung berichten.
       
       ## Die Täter sind meistens keine Fremden
       
       Fakt ist auch, dass physische und psychische Gewalt und Vergewaltigung vor
       allem in Paarbeziehungen und zwischen Menschen vorkommen, die sich kennen.
       Den fremden Mann, der im Park lauert, die Joggerin anspringt und sie
       vergewaltigt, den gibt es eher selten. Auch die beiden Männer, die mit
       Gina-Lisa Lohfink Dinge veranstalteten, die die Frau offenbar nicht wollte,
       waren für sie keine Unbekannten. Die Nähe zum Täter hält viele Frauen ab,
       die Taten anzuzeigen. Jedes Jahr werden etwa 8.000 Vergewaltigungen
       gemeldet. Das sind Schätzungen zufolge nur 5 bis 15 Prozent. Die meisten
       sexuellen Übergriffe bleiben also unerkannt.
       
       Das hat auch etwas damit zu tun, dass sich die Frauen nicht nur schämen,
       über das Erlebte zu sprechen. Sondern dass sie wissen, wie schwierig es
       vielfach ist, bei der Polizei über das Erlebte auszusagen und den Vorfall
       vor Gericht bis ins letzte Detail schildern zu müssen. Sie wissen auch,
       dass sie eindeutige Beweise bringen müssen, ihnen möglicherweise nicht
       geglaubt und unterstellt wird, jemanden zu Unrecht zu beschuldigen.
       
       ## Das neue Gesetz befreit die Sexualität
       
       Bei der Polizei gehört ein sensibler Umgang mit Opfern von Sexualdelikten
       seit einigen Jahren zum Curriculum der Ausbildung. Beamte werden geschult,
       genau hinzuhören und hinzuschauen und dem Opfer auch dann zu glauben, wenn
       es in den Augen der ErmittlerInnen nicht chronologisch oder „verworren“
       erzählt. Opfer – egal welcher Taten – sind häufig traumatisiert und
       vielfach zunächst nicht in der Lage, reflektiert zu berichten. Unabhängig
       davon beziffern ExpertInnen die Zahl der Falschbeschuldigen bei
       Sexualstraftaten auf 5 bis 7 Prozent.
       
       Ein „Nein heißt Nein“ begünstigt die freie Entfaltung von Sexualität. Ein
       Gesetz, das auf einem Einverständnis derjenigen beruht, die miteinander Sex
       haben (wollen), gewährleistet die Selbstbestimmung aller Beteiligten. Alles
       andere sollte nicht mit Sexualität gleichgesetzt, sondern eindeutig als
       Gewalt und Vergewaltigung verurteilt werden.
       
       17 Jun 2016
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
       
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