# taz.de -- „Tag der deutschen Zukunft“ in Dortmund: 1000 Nazis und ein Hitler-Transparent
       
       > Mit offenen Bezügen auf den Nationalsozialismus haben Neonazis in
       > Dortmund demonstriert. Die Polizei griff bei Volksverhetzung nicht ein.
       
 (IMG) Bild: Der Naziaufmarsch verlief störungsfrei
       
       Dortmund taz | In Zeiten von „Pegida“, „Identitärer Bewegung“ und
       Initiativen gegen Flüchtlingsunterkünfte kann man trefflich darüber
       streiten, was ein „Naziaufmarsch“ ist. Nicht an der Spitze jeder
       rassistischen Bewegung stehen Nazis. Was am Samstag allerdings in Dortmund
       stattgefunden hat, war ein Aufmarsch von Neonazis, wie man es sich in
       Albträumen vorstellt. Ein Haus im Stadtteil Dorstfeld, den die lokale
       rechtsextreme Szene als „Nazikiez“ für sich beansprucht, war mit Fahnen in
       den Farben schwarz-weiß-rot geschmückt. Über der Eingangstür hing ein
       Transparent mit der Aufschrift „Htlr“.
       
       In Jugendbewegungen ist es derzeit angesagt, die Vokale bei Aufschriften
       von T-Shirts, Aufklebern und Co. wegzulassen. So trugen Teilnehmer des
       Aufmarsches auch Shirts mit Aufschriften wie „HKNKRZ“. Versteckten sich
       Nazis in den vergangenen Jahren noch hinter Zahlenkombinationen wie „88“
       („Heil Hitler“, jeweils nach dem ersten Buchstaben der Wörter), reicht es
       heute, Buchstaben wegzulassen, um die rechtsextreme Botschaft zu
       verbreiten.
       
       Neonazis aus dem ganzen Bundesgebiet und anderen europäischen Ländern von
       den Niederlanden bis Ungarn hatten sich zum achten „Tag der deutschen
       Zukunft“ versammelt. Für die „deutsche Zukunft“ demonstrierten
       Rechtsextreme bisher nur in Nord- und Ostdeutschland. In Neuruppin wurde
       der Aufmarsch im letzten Jahr das erste Mal blockiert.
       
       Das Besondere an dieser Demonstration ist, dass hier alle relevanten
       neonazistischen Gruppen an einem Strang ziehen. Nazis aus den Parteien „Der
       Dritte Weg“, „Die Rechte“, „NPD“ und die so genannten „Freien
       Kameradschaften“ kommen bei diesem Event zusammen. So wundert es auch
       nicht, dass sich um die 1000 Neonazis in Dortmund versammelten. An
       Radikalität hatte es der Aufmarsch durchaus in sich.
       
       Die Rede von Thorsten Heise, einem neonazistischen Aktivisten seit über 30
       Jahren und [1][gutem Bekannten vom thüringischen AfD-Chef Björn Höcke],
       hatte es besonders in sich. Heise sprach von deutschen Politikern, die ihre
       Politik früher noch auf tausend Jahre ausgelegt hätten, im Gegensatz zu den
       herrschenden Versagern. Über das Konzentrationslager Buchenwald wusste er
       zu berichten, dass dort nach 1945 mehr Menschen umgebracht worden seien als
       im Nationalsozialismus. Gegen diese Rede sowie gegen volksverhetzende
       Parolen aus dem Demozug ging die Polizei während des Aufmarsches nicht vor.
       
       Der nächste „Tag der deutschen Zukunft“ soll in einem Jahr in Karlsruhe
       stattfinden. In Baden-Württemberg hätten über 30 Prozent der Wähler die
       Grünen gewählt, diese ständen wie keine andere Partei für „Überfremdung“
       und eine Politik gegen das eigene Volk. Der Naziaufmarsch verlief
       störungsfrei.
       
       ## 5.000 Menschen beim Gegenprotest
       
       Der Protest gegen den Naziaufmarsch war allerdings auch so groß wie sonst
       selten in Dortmund. Insgesamt waren etwa 5.000 Menschen gegen die Rechten
       auf die Straße gegangen. Die größte Demonstration stellte, mit etwa 2.500
       Teilnehmern, der „Arbeitskreis gegen Rechts“, ein Bündnis aus Kirchen,
       Parteien und Gewerkschaften. Auch Oberbürgermeister Ullrich Sierau nahm an
       der Demonstration teil. Im Nachhinein zeigte er sich erfreut über den
       Protest: „Diese Resonanz ist ein eindeutiges Zeichen für einen weltoffenen
       Entwurf einer Stadtgesellschaft.“
       
       Die Demonstration des Arbeitskreises endete nur etwa 200 Meter von den
       Neonazis entfernt. Bei deren Abmarsch ernteten sie ein gellendes
       Pfeifkonzert von den Gegendemonstranten. Die Anti-Nazi-Proteste waren bei
       diesem Aufmarsch von besonderer Kreativität geprägt. Das Künstlerkollektiv
       „Tools for Action“ hatte gemeinsam mit Schülern und dem Schauspiel Dortmund
       „Spiegelbarrikaden“ gebaut. Große, aufblasbare silberne Würfel.
       
       Überall waren diese zu sehen und wurden ganz unterschiedlich eingesetzt.
       Zum Beispiel als Mauer, um die Nazis symbolisch fernzuhalten, oder für ein
       spontanes „Volleyball“ mit der Polizei über Absperrungen hinweg. Die
       Beamten reagierten sehr unterschiedlich auf die Würfel, an Stellen an denen
       linke Nazi-Gegner die Würfel dazu benutzen wollten, gegen Polizisten
       anzurennen, wurden die Würfel schnell von den Einsatzkräften zerstört.
       
       Ganz friedlich verlief der Demotag in Dortmund nicht. Die Polizei berichtet
       von Angriffen, sogar Steine sollen geflogen sein. „Linksautonome“ hätten
       immer wieder die Auseinandersetzung gesucht. Iris Bernert-Leushacke vom
       Bündnis „BlockaDo“, das den Naziaufmarsch mit Sitzblockaden verhindern
       wollte, sieht das anders. Die Polizei habe „kopflos“ agiert,
       Horrorszenarien von „marodierenden Gegendemonstranten“ seien nicht
       eingetreten.
       
       Als Nazigegner am Abend, wegen Vermummung, in der migrantisch geprägten
       Nordstadt, von der Polizei eingekesselt wurden, zeigten sich die
       Nordstädter solidarisch mit dem Protest. Aus den Häusern wurden den
       Demonstranten immer wieder Getränke, Schokoriegel und Eis zu geworfen. Die
       Auseinandersetzungen zwischen Gegendemonstranten und der Polizei
       beschränkten sich den ganzen Tag über auf wenige Situationen, die jeweils
       schnell wieder abflauten.
       
       5 Jun 2016
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Weiermann
       
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