# taz.de -- Kommentar Rupert Neudeck: Er fehlt
       
       > Fast 40 Jahre ist es her, dass Rupert Neudeck mit der Cap Anamur eine
       > beispielslose Rettungsaktion startete. Seine Nachahmer sind im Mittelmeer
       > aktiv.
       
 (IMG) Bild: Rupert Neudeck rettete mit der Cap Anamur über 10.000 vietnamnesische Bootsflüchtlinge
       
       Es entbehrt nicht einer grausamen Pointe, dass der große Flüchtlingsretter
       Rupert Neudeck genau zu dem Zeitpunkt stirbt, an dem die Todeszahlen
       afrikanischer Boatpeople im Mittelmeer immer neue Rekordwerte erreichen.
       700, vielleicht sogar 1.000 Ertrunkene in einer Woche, so genau weiß das
       keiner; die allermeisten Leichen werden nie geborgen werden, und die
       meisten Hinterbliebenen werden vom Tod ihrer Nächsten nie erfahren.
       
       Es sind genau solche Zustände, die vor fast vierzig Jahren einen empörten
       40-jährigen Journalisten namens Rupert Neudeck dazu bewogen, mit dem
       Frachtschiff „Cap Anamur“ eine beispiellose Rettungsaktion für
       vietnamesische Bootsflüchtlinge zu starten, die über 10.000 Menschen das
       Leben rettete.
       
       Viele der geretteten Vietnamesen fanden damals Aufnahme in der
       Bundesrepublik Deutschland, obwohl das Südchinesische Meer anders als das
       Mittelmeer einen halben Globus entfernt liegt. Die damals 40-Jährigen in
       Deutschland waren Kriegskinder, viele hatten in ihren frühen Jahren Flucht
       am eigenen Leibe erlebt, auch Neudeck.
       
       Die von heute sind Wohlstandskinder und es gehört zum guten Ton, Merkels
       Aufnahmepolitik für syrische Flüchtlinge auf der Balkanroute im Sommer 2015
       zu einem verständlichen und menschlichen, aber bedauerlichen Irrtum zu
       erklären, den es keinesfalls zu wiederholen gilt, und sei es um den Preis
       von Tausenden Toten.
       
       Rupert Neudeck hat allerdings schon zu Lebzeiten viele Nachahmer und Erben
       gefunden, die sein Werk weiterführen: nämlich dort einzuspringen, wo
       Menschenleben unmittelbar bedroht sind, und mit Booten Schiffbrüchige
       aufzunehmen. Die Retter von heute sind vielfach unterwegs vor den Küsten
       Libyens und der Türkei, unbesungene Helden einer besseren Globalisierung,
       die die Suche eines Menschen nach dem Glück in einem anderen Land nicht mit
       dem Tode bestraft sehen wollen.
       
       Aber die politische Aufmerksamkeit und die Achtung, die Cap Anamur 1979
       widerfuhr, erfahren die Flüchtlingsretter von heute nicht. Sie landen eher
       vor Gericht als im politischen Mainstream. Mit jedem toten Flüchtling im
       Mittelmeer stirbt ein Stück Menschlichkeit in Europa. Deutschland wird
       jetzt einen Helden der Menschlichkeit begraben und gar nicht merken, wie
       entrückt dessen Ideale heute erscheinen.
       
       31 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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