# taz.de -- Justiz: Staatsanwalt beschuldigt
       
       > Im Prozess gegen den linken Ultra Valentin S. haben die Verteidiger den
       > Bremer Staatsanwalt angezeigt. Er habe zu lang nicht gegen einen rechten
       > Hooligan ermittelt.
       
       BREMEN taz | Im Prozess gegen den linken Ultra Valentin S. vor dem
       Landgericht Bremen ist die juristische Auseinandersetzung eskaliert. Am
       Freitag haben die Verteidiger den Staatsanwalt wegen Strafvereitelung im
       Amt angezeigt – ein Vorgang, der unabhängig von dem Verfahren läuft.
       Bereits während des Verhandlungstages hatten die Angeklagten Valentin S.
       und Wesley S. einen Befangenheitsantrag gegen die Richter gestellt. Der
       zentrale Vorwurf: Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte in Bremen seien
       „auf dem rechten Auge blind“.
       
       Der Prozess gegen Valentin S. hatte im Januar 2016 begonnen – damals noch
       mit zwei Mitangeklagten, von denen einer mittlerweile freigesprochen wurde.
       Wegen angeblicher Wiederholungsgefahr sitzt Valentin S. mit kurzer
       Unterbrechung seit Juli 2015 in Untersuchungshaft.
       
       Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, 2014 und 2015 mehrere schwere
       Körperverletzungen begangen zu haben, unter anderem am Rande des
       Fußballspiels von Werder Bremen gegen den HSV am 19. April 2015. An dem Tag
       war es zu Auseinandersetzungen zwischen linken Bremer Ultras und rechten
       Hooligans gekommen. Valentin S. hat mittlerweile gestanden, an einer
       Schlägerei gegen einen der Hooligans beteiligt gewesen zu sein.
       
       Dem Befangenheitsantrag war am Freitag eine Zeugenbefragung eines
       Sozialarbeiters der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen vorweggegangen. Jan
       Sürig, der Verteidiger des Mitangeklagten Wesley S., wollte wissen, von wie
       vielen Nazis und rechten Hooligans, die in der Bremer JVA in Haft sind, der
       Sozialarbeiter mitbekommen habe.
       
       Der Vorsitzende Richter Manfred Kelle allerdings hielt die Frage für
       unzulässig. Laut Sürig habe er gegenüber den Angeklagten geäußert, bei
       ihnen herrsche die Vorstellung vor, Nazis und Hooligans würden von Polizei,
       Staatsanwaltschaft und Gerichten auffällig geschont.
       
       Eben diesen Vorwurf formulierte Sürig sodann in einem Befangenheitsantrag
       für seinen Mandanten und Valentin S. schloss sich dem an. Unter anderem
       verweist der Antrag auf den sogenannten Ostkurvensaal-Prozess aus dem Jahr
       2007, bei dem mehrere rechte Hooligans wegen eines brutalen Überfalls auf
       eine Party linker Fußballfans nur zu Geldstrafen verurteilt wurden. Zum
       aktuellen Prozess führt der Antrag unter anderem an, dass im Zuge der
       Auseinandersetzungen während des Nordderbys von den szenekundigen
       Polizeibeamten nur die Identitäten von angeblich beteiligten linken Ultras
       detailliert aufgelistet wurden, hingegen kein Name der rechten Hooligans.
       
       Zudem habe der Staatsanwalt spätestens seit November 2015 von einer
       möglichen schweren Körperverletzung jenes Hooligans gewusst, der im Prozess
       das Opfer ist – ohne jedoch zu ermitteln. Valentin S. hatte bereits im Zuge
       eines Haftprüfungstermins im November darauf hingewiesen, dass der Hooligan
       vor der Schlägerei mit ihm einen linken Ultra mit einer Bierkiste
       niedergeschlagen hatte.
       
       Erst als Valentin S.’ Verteidiger Horst Wesemann Ende April ein Video
       vorlegte, das diese Aussage untermauerte, leitete die Staatsanwaltschaft
       Ermittlungen ein. Ein Umstand, den Anwalt Sürig als „bewusste
       Verschleierung der Tat“ wertet und nun am Freitag wegen Strafvereitelung im
       Amt anzeigte.
       
       Die Bremer Staatsanwaltschaft konnte zu der Anzeige und den konkreten
       Vorwürfen bis Redaktionsschluss nicht Stellung nehmen. Zu allen
       Entwicklungen, die laufende Prozesse betreffen, äußere sie sich generell
       nicht, hieß es.
       
       Thorsten Prange, Sprecher des Landgerichts Bremen, erklärte, über den
       Befangenheitsantrag müsse nun eine eigene Kammer am Landgericht
       entscheiden. Den Vorwurf, die Bremer Justiz sei „auf dem rechten Auge
       blind“, nannte er „unsinnig“: „Das Gericht untersucht, was passiert ist“,
       so Prange zur taz. „Die politische Gesinnung spielt überhaupt keine Rolle.“
       
       17 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jean-Philipp Baeck
       
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