# taz.de -- Parteitag der Berliner Grünen: Grüner werden sie sich nicht
       
       > Die Grünen beschließen erstaunlich flott ihr Wahlprogramm für die Wahl.
       > Doch der Parteitag zeigt auch, wie tief der Graben zwischen den Flügeln
       > weiterhin ist.
       
 (IMG) Bild: Prima inter pares: Ramona Pop mit dem Rest des Spitzenquartetts der Grünen
       
       „Gott sei Dank!“ Die Grünen-Delegierte lehnt sich erleichtert in ihren
       Stuhl zurück, als die Wahlergebnisse da sind und Fraktionschefin Ramona Pop
       in den Parteirat gewählt ist. „Ein Ausreißer nach unten wäre ganz schön
       blöd gewesen.“
       
       Es wirkt noch nach, was beim vorhergehenden Parteitag vor fünf Wochen
       passiert ist, als Pop für ihre Spitzenkandidatur zur Abgeordnetenhauswahl
       nur knapp 60 Prozent der Stimmen bekam. Nun sind es bei der Wahl für das
       Parteigremium 69,7 Prozent. Das ist gut im Vergleich zur jüngsten Wahl –
       aber weiterhin schlecht, verglichen mit der Rückendeckung, die andere
       Parteien ihren Führungsleuten geben.
       
       Eigentlich geht es um das grüne Wahlprogramm an diesem Samstag im Stadtbad
       Oderberger Straße in Prenzlauer Berg, das jetzt Hotel heißt, aber zukünftig
       unter der Woche öffentliches Baden anbieten soll. Unter dem Behelfsboden,
       auf dem die Delegiertenstühle stehen, ist das Schwimmbecken. „Wir sind
       jetzt alle wie Jesus“, witzelt Parteichefin Bettina Jarasch zur Begrüßung
       am Rednerpult, weil der ja laut Bibel auf dem See Genezareth übers Wasser
       ging.
       
       Das Wahlprogramm, das in früheren Jahren ebenfalls biblische Länge haben
       konnte, haben die Grünen mit einem Kunstgriff auf schlanke 40 Seiten
       gekürzt: Mehr als 90 konkrete Vorhaben sie als Projekte ausgelagert.
       Integration, bezahlbarer Wohnraum, Verbesserungen bei Bus und Bahn und mehr
       Beteiligung und direkte Demokratie bilden die Kernthemen. Gut 700
       Änderungsanträge hatte es zum Programmentwurf des Landesvorstands gegeben.
       Doch bis zum Samstag wurden fast alle in Vorgesprächen abgeräumt.
       
       In einer der wenigen knappen Abstimmungen über Änderungen rückt die
       Forderung nach stets freiem Museumseintritt für alle Berliner ins Programm
       – zuvor war darin nur ein freier Tag pro Woche vorgesehen. Hingegen
       scheitert der Wunsch der Grünen Jugend, die Willkommensklassen in den
       Schulen abzuschaffen – die Flüchtlingskinder sollten auch ohne
       Deutschkenntnisse sofort in die Regelklassen. Ohne Gegenstimmen und
       Enthaltungen beschließen die Delegierten schließlich das Gesamtprogramm,
       das sie nach der Abgeordnetenhauswahl am 18. September nach fast 15 Jahren
       Regierungspause wieder in den Senat bringen soll.
       
       Weit weniger einheitlich wirken die Grünen, als Ramona Pop zu Beginn des
       Parteitags spricht. Pop versucht die Mitglieder auf den Wahlkampf
       einzuschwören; sie redet davon, dass man „keine Protestpartei für die
       eigene Klientel sei, die das Blaue vom Himmel verspricht“, und davon, dass
       sie Reala sei und realistische Politik machen wolle. Lauter Applaus kommt
       da vor allem aus den Kreisverbände Pankow und Mitte, Pops politischer
       Heimat; in anderen Delegiertenreihen rührt sich eher selten eine Hand. So
       bei Monika Herrmann, der Parteilinken und Bürgermeisterin von
       Friedrichshain-Kreuzberg: Sie spricht gleich nach Pop und betont, warum es
       wichtig sei, „dass Grüne in die Regierung kommen – Linke und Realos“.
       
       Da sind sie dann wieder, die Parteilager, -flügel, -richtungen. „Nur
       gemeinsam werden wir die Berliner überzeugen können“, mahnt Stephan von
       Dassel, Stadtrat in Mitte. Und Antje Kapek, Pops Ko-Chefin in der
       Abgeordnetenhausfraktion, fordert später, als das Wahlprogramm beschlossen
       ist, man müsse jetzt an einem Strang ziehen: „Der politische Gegner sitzt
       nicht hier im Saal“, sagt sie, „der sitzt da draußen.“
       
       Das macht die Wahl zum Parteirat zwangsläufig zu mehr als nur der Besetzung
       eines einflussreichen Grünen-Gremiums. Es ist auch ein Test, ob die
       Botschaften von Dassels und Kapeks angekommen sind, Pop klare Rückendeckung
       zu geben. Pop lästert zwar in einer kurzen Bewerbungsrede selbst über das
       100-Prozent-Ergebnis, das der durchaus nicht unumstrittene
       CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel eine Woche zuvor bei den Christdemokraten
       bekommen hat. Und doch lässt sie erkennen, dass sie zumindest eine gewisse
       Geschlossenheit erwartet.
       
       101 von 145 Delegierten wollen Pop schließlich im Parteirat sehen, bei acht
       Bewerberinnen für acht für Frauen reservierte Plätze Die ebenfalls
       kandidierende Kapek bekommt zwar die meisten Stimmen, aber auch nur 103.
       Pop selbst sieht danach erneut aus wie jemand, der gute Miene zu bösem
       Spiel machen muss. „Die Grünen und ihr Spitzenpersonal“, hatte sie der taz
       schon zuvor am Rande gesagt, „das war immer schon eine schwierige
       Geschichte.“
       
       17 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
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