# taz.de -- Die Wahrheit: Romane im Remix
       
       > In welchem Umfang müssen Zitate und Einflüsse in der Belletristik
       > gekennzeichnet werden? Die Frage treibt Autoren wie Feuilletonisten um.
       
 (IMG) Bild: Frank Schulz beschreibt, wie diesen Menschen das Herz bricht
       
       Dies ist wohl keine Kolumne, sondern ein Essay, eine Erzählung, nein,
       schnittiger, vornehmer: ein Narrativ. Oder ein Bonsai-Roman? Ich meine, wer
       darf, muss die Gattung definieren? Wie dem auch sei: Wenn ich erzähle,
       offenbare ich skrupulös die Quellen der Zitate und so weiter, aus denen ich
       schöpfe, soweit ich mich erinnere. Wie blöd ist das denn?
       
       Zugegeben, der Punkt, die Frage ist nicht eben neu, sondern ungefähr so alt
       wie die Erfindung des Buchdrucks, wird aber stets neu diskutiert: Wie
       nennen wir es? Plagiat, Kopie, Aneignung, Übermalung, Readymade oder was?
       
       Insbesondere wird seit ehedem darum gestritten, was man an Zitaten und so
       weiter in belletristischen Werken nachzuweisen habe. Seit dem „Fall Helene
       Hegemann“, ihrem Roman „Axolotl Roadkill“, sind viele Verlage vorsichtig,
       ja übervorsichtig geworden. Per Copy-und-Paste-Verfahren habe ich etwa die
       kuriosen Hintergründe von Tex Rubinowitz’Roman „Irma“ recherchiert.
       
       Wie die Metafeuilletonisten Frank Fischer und Joseph Wälzholz es
       darstellen, hatte der Verlag „ein recht kleinteiliges Quellenverzeichnis
       angehängt“, „völlig unnötige“ Angaben zu Songs und so weiter, die teils
       ausführlichen Wikipedia-Übertragungen, sehr genau im Roman nachzuweisen,
       jedoch nicht erwähnt: „Vielleicht hat Rubinowitz wirklich gedacht, er
       recherchiere, als er die Wikipedia-Einträge zeilenweise in seine
       ‚Irma‘-Datei reinkopiert hat.“ Frank Schulz wiederum hatte – wenn mich das
       Gedächtnis nicht trügt, den Roman „Onno Viets und der Irre vom Kiez“ habe
       ich nicht zur Hand – im Nachwort Wiki-Bezüge genannt.
       
       Nun las ich gerade zwei aktuelle Romane, „Macht“ von Karen Duve und „Satin
       Island“ von Tom McCarthy, und die beiden haben – nennen wir es mal so –
       originelle Danksagungen hinzugefügt. Duve setzt wie folgt an: „Da immer
       noch die Ansicht weit verbreitet ist, Bücher sollten aus dem Nichts
       erschaffen werden, möchte ich der Redlichkeit halber darauf hinweisen, dass
       es in diesem Exemplar von Fremdeinflüssen und mehr oder weniger stark
       veränderten Zitaten nur so wimmelt.“ Danach zählt sie die Medienformen auf,
       aus denen die Einflüsse stammen, nicht die einzelnen Quellen, „auch
       deshalb, weil ich davon ausgehe, dass einige meiner Ideengeber nicht gerade
       begeistert wären, hier genannt zu werden.“ Tricky.
       
       Tom McCarthy wählt eine, ich glaube, man nennt sie „postmoderne“ Variante:
       „Wie alle Bücher enthält ‚Satin Island‘ Hunderte von Anleihen, Echos,
       Remixe und direkten Wiedergaben. Sie alle aufzulisten würde so viel Raum
       einnehmen wie der Text selbst. Die kritische Leserin, der kritische Leser
       mag sich daran vergnügen, einigen von ihnen nachzugehen, wenn sie oder er
       Lust dazu hat.“
       
       Vielleicht stößt der Roman auf einen kritischen Leser, der oder die
       irgendwelche Echos und Remixe verfolgt und Passagen erwischt, die ihm
       bekannt vorkommen. Wird es erst interessant, wenn es ein Bestseller ist?
       „Gute Künstler kopieren, große Künstler stehlen.“ Quelle?
       
       6 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dietrich Zur Nedden
       
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