# taz.de -- Essayband „Zwischen mir und der Welt“: Geruch der Gewalt
       
       > Wie die Sklavereigeschichte ins Heute reicht. „Zwischen mir und der Welt“
       > ist ein ausgezeichneter Essayband des US-Autors Ta-Nehisi Coates.
       
 (IMG) Bild: „Der Mythos dieses Landes läuft der Wahrheit deiner Identität zuwider“: Ein Mann besichtigt das Schlachtfeld von Gettysburg
       
       Imploring Mecca / To Achieve / Six Discs / With Decca“, reimte der
       afroamerikanische Schriftsteller Langston Hughes in seinem Gedicht „Be-Bop
       Boys“. Mekka beschwören, um einen Plattenvertrag zu bekommen: nicht
       untypisch für den radikalen Afrozentrismus vieler US-Jazzmusiker der
       sechziger Jahre.
       
       Ta-Nehisi Coates, geboren 1975 und aufgewachsen im Ghetto von Baltimore,
       bezeichnet die Howard-Universität in Washington als Mekka. Dort stößt er in
       einer Bibliothek auch auf Hughes‘ Werk, das stilbildend für Coates ist,
       neben vielen anderen afroamerikanischen SchriftstellerInnen.
       
       Wie er zu einem streitlustigen Essayisten wird, das schildert Coates in
       „Zwischen mir und der Welt“, einem Band mit drei Aufsätzen, der die
       Feuilletons elektrisiert wie kaum ein Buch eines afroamerikanischen Autors.
       Vielleicht, weil Coates die Aufsätze als Briefe an seinen Sohn verfasst
       hat. Aber ihm geht es nicht um das Menschelnde der persönlichen Anrede. Der
       Band ist atemlos geschrieben, dringlich im Tonfall, wiewohl schlüssig
       argumentiert.
       
       „Der Mythos dieses Landes läuft der Wahrheit deiner Identität zuwider“,
       schreibt er, als er mit seinem Sohn Schlachtfelder besichtigt, auf denen im
       US-Bürgerkrieg, 1861–65, gekämpft wurde. „Zu Beginn (…) waren unsere
       gestohlenen Körper vier Milliarden Dollar wert, mehr als die gesamte
       Industrie.“
       
       Anhand solcher Fakten schildert Coates die Komplexität der Geschichte. Wie
       ursächlich der Sklavenhandel mit dem Alltagsleben und dem Status der
       Afroamerikaner von heute zusammenhängt, wie schwer sich die USA tun, ihre
       blutige koloniale Vergangenheit als grundlegend für das Selbstbild zu
       akzeptieren.
       
       Körper, Gewalt und Rassismus, die Zusammenhänge zwischen seinem Körper und
       der Gesellschaft sind wiederkehrende Sujets. Was durch die
       Vorstellungswelten des HipHop inzwischen um die Welt gegangen ist, hat
       einen realen gewalttätigen Hintergrund. „Um zu überleben…, eignete ich mir
       eine Sprache an, die daraus bestand, wie man jemandem zunickte oder ihm die
       Hand schüttelte.“
       
       Coates beschreibt, wie die US-Kultur von der Sprache der Schwarzen geprägt
       ist und was Gewalt für ihn als Jugendlichen bedeutet hat, als er lernte,
       „wie es roch, wenn etwas in der Luft lag“.
       
       In Konsequenz der Sklavengeschichte, die das wirtschaftliche Fundament der
       USA bildete, fordert Coates Reparationen für die Nachkommen. Eine
       Forderung, die allerdings schon in den Neunzigern erhoben wurde. Aber gut,
       dass sie mit Coates nun endlich im deutschen Mainstream angekommen ist, in
       dem Feuilletonisten noch immer ungeniert den Begriff „Neger“ benutzen.
       
       20 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julian Weber
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Baltimore
 (DIR) US-Sklaverei-Geschichte
 (DIR) Literatur
 (DIR) US-Sklaverei-Geschichte
 (DIR) Detroit
 (DIR) Detroit
 (DIR) elektronische Musik
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Deutsch-französische Nachkriegszeit: Das Staunen in der Fremdheit
       
       Ein atmosphärisch verdichtetes Bild einer Epoche: Sylvie Schenks Roman
       „Schnell, dein Leben“. Er erzählt eine Biografie im Schnelldurchgang.
       
 (DIR) Remake der TV-Serie „Roots“: Kondensierte Geschichte
       
       „Roots“ erzählt die Geschichte der Sklaverei in den USA. In den 70er Jahren
       erzielte die Serie Zuschauerrekorde. Nun wurde sie neu produziert.
       
 (DIR) 25 Jahre Tresor in Berlin: „In Techno steckt unglaubliche Kraft“
       
       In Berlin beginnen die Feierlichkeiten, bevor es nach Detroit weitergeht:
       Vor 25 Jahren gründete der Impresario Dimitri Hegemann den Tresor. Ein
       Gespräch.
       
 (DIR) Neue Tanzmusik aus Detroit: Popowackeln ist Klassenkampf
       
       Vorzüglich ist ein Mix des House-Produzenten Moodymann. Nervennahrung gegen
       Stress kommt von Tadd Mullinix und Daniel Meteo.
       
 (DIR) Experimentelle Musik im Museum: Was heißt „Weltmusik“ heute?
       
       Eine Ausstellung im Kunstraum Bethanien und der Reader „Seismographic
       Sounds“ überfordern und beflügeln beim CTM-Festival in Berlin.