# taz.de -- Frauen in der Berliner Politik: Ganz da, ganz Ohr
       
       > Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky galt als polterig, seine
       > Nachfolgerin Franziska Giffey gilt als empathisch. Ändert sich die
       > Politik durch eine Frau an der Spitze?
       
 (IMG) Bild: Die Bürgermeisterin und ihr Bezirk: Franziska Giffey schaut auf Neukölln.
       
       Nur dieses leichte Wippen in den Knien – vor, zurück – ein gekonntes
       Balancieren auf dem Absatz der schwarzen Pumps – klick, klack – verrät sie,
       eine leichte Ungeduld. Ansonsten ist Franziska Giffey, studierte
       Verwaltungswirtin, promovierte Politologin, Mutter eines sechsjährigen
       Sohns und seit vergangenem April Bezirksbürgermeisterin von Neukölln, an
       diesem Februarmorgen ganz da, ganz Ohr.
       
       Ein Termin im Haus der Deutschen Wirtschaft, vor den bodentiefen Fenstern
       schimmert die Spree. Drinnen haben die Regionalverbände der Industrie- und
       Handelskammer ein Labyrinth aus Schautafeln aufgebaut. Thema: Flüchtlinge
       in den Arbeitsmarkt integrieren. Franziska Giffey hört zu, fragt nach mit
       ihrer leisen Stimme, und schaukelt dabei auf ihren Pumps, vor und zurück.
       
       Es ist nur ein Pressetermin, ein Augenblick, aber er zeigt, auf was man
       sich in Neukölln einigen kann, wenn die Sprache auf die immer noch neue
       Frau an der Spitze des Bezirks kommt: Da ist jetzt eine, die zuhört, eine
       mit Empathie. Aber hat sich dadurch auch die Politik verändert? Und
       überhaupt: Sind solche Zuschreibungen, wie Giffey sie erfährt, nicht
       typisch weiblich besetzt und reduzieren sie auf ihr Frausein?
       
       „Eigentlich sagt sie politisch oft das Gleiche wie ihr Vorgänger Heinz
       Buschkowsky – aber sie versetzt sich dabei in die Menschen hinein“, sagt
       Derya Çağlar, Vorstandsfrau beim Türkisch-Deutschen Zentrum, die vor allem
       Sozialarbeit für Migranten machen, Sprachkurse und Nachhilfe anbieten. Als
       eine Verlängerung der Finanzierung für das Büro im Rathaus Neukölln auf der
       Kippe stand, habe sich Giffey sehr dafür eingesetzt, dass es weitergeht.
       
       „Man hat das Gefühl: Es spielt keine Rolle mehr, wer mit wem ein Bier
       trinken war. Giffey hat uns zugehört und sich dann für uns eingesetzt“,
       sagt Stephanie Schlör, Projektleiterin bei Affidamento. Die gemeinnützige
       GmbH betreibt den Frauentreff Schmiede im Neuköllner Stadtteil Rixdorf,
       dessen Finanzierung unter Buschkoswsky auch lange unklar war.
       
       „Da ist jetzt eine andere Gesprächskultur“, sagt auch der grüne
       Sozialstadtrat Bernd Szczepanski. Endlich findet er Gehör für sein Thema,
       die SeniorInnen im Bezirk. Nach jahrelangem Hin und Her unter Buschkowsky
       ist die Finanzierung für eine Seniorenfreizeitstätte in Alt-Rudow
       gesichert.
       
       Giffey, die Empathische. Buschkowsky, der Polterige, der von der Bild und
       sich selbst ernannte Klartextredner (“Mulitkulti ist gescheitert“), der
       einmal befand, es brauche „Terrierqualitäten“, um einen Bezirk wie Neukölln
       regieren zu können. Die nette Neue, der harte Typ.
       
       Im Haus der Deutschen Wirtschaft ist gerade eine längliche
       Podiumsdiskussion zur Flüchtlingsproblematik zu Ende gegangen. Die
       IHK-Regionalchefs, nur Männer, haben geredet. Giffey sollte wohl die
       Problembezirksperspektive liefern.
       
       Die Bürgermeisterin ist nicht überrascht davon, wie sie hier in Neukölln
       gesehen wird. „Mir passiert es, dass Leute mich unterschätzen. Meistens
       kann ich das aber auflösen – in dem Moment, wenn ich spreche. Wenn ich
       Kompetenz zeige. Dann ist die Frage, ob Mann oder Frau nicht mehr so
       relevant.“
       
       Also wird dieser Unterschied wahrgenommen? Ja, sagt Giffey. „Viele Frauen
       kommen auf mich zu und sagen, wie toll sie es finden, eine Frau an der
       Spitze zu haben.“ Gleichzeitig sei es schon vorgekommen, dass ein Vertreter
       eines muslimischen Vereins ihr als Frau nicht die Hand schütteln wollte.
       „Das trifft mich natürlich, das nehme ich nicht hin, und das sage ich dann
       auch in dem Moment ganz klar.“
       
       Was auffällig ist: Giffey hat sich – genau wie ihr Vorgänger – bisher nicht
       mit klassisch frauenpolitischen Themen hervorgetan. Wenn sie sich für
       Rechte von Frauen und Mädchen einsetzt, dann im Kontext der
       Integrationsdebatte. Sie ist für ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen. Einer
       Zeitung sagte sie einmal, es „schmerze“ sie, wenn sie Schülerinnen in
       knielangen Gewändern bei einer Straßenlaufveranstaltung sehe.
       
       Sie mag eine „gefälligere Benutzeroberfläche“ bieten als Buschkowsky,
       schrieb einmal die Zeit. Doch in der Sache denkt sie ähnlich wie ihr
       langjähriger Mentor. Auch sagt sie, „will ich da nicht in eine Ecke
       gestellt werden: Eine Frau beackert jetzt die typischen Frauenthemen.“
       
       Tatsächlich sind Frauenthemen wenig sichtbar in Neukölln, auch unter
       Giffey. Auf der Webseite von Sylvia Edler, der Gleichstellungsbeauftragten
       des Bezirks, führt der Link zum „Equal Pay Day“, der dieses Jahr am 19.
       März an die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen gemahnen will, ins Leere.
       
       Vielleicht müssen sich solche Ansprüche erst entwickeln. Im Frauentreff am
       Richardplatz ist man schon dankbar, dass man nach Giffeys Antritt im
       vergangenen April „bereits im August“ ins Rathaus eingeladen wurde, um die
       Arbeit des Zentrums vorzustellen – Beratung bei häuslicher Gewalt,
       Sprachkurse, Yoga, ein Frauencafé. „Da fehlte jahrelang ganz grundsätzlich
       ein Bewusstsein für das, was wir hier machen“, sagt Claudia Cremer vom
       Netzwerk Frauen in Neukölln, das die Räume in der Schmiede nutzt. „Die
       dachten, wir häkeln Topflappen.“
       
       Die, damit ist das Bezirksamt Buschkowsky gemeint. Der strich der Schmiede
       2014 die Haushaltsmittel zusammen. Giffey habe sich dafür eingesetzt, dass
       Affidamento als Trägerverein den Betrieb weiterführt – und nur eine geringe
       Miete zahlen muss. Giffey hatte Verständnis, aber kümmern müssen sich die
       Frauen selbst, dass der Laden läuft. Der Bezirk gibt weiterhin keine Mittel
       mehr. „Dabei bräuchten wir mindestens eine halbe Stelle, die die ganzen
       Beratungsangebote koordiniert“, sagt Schlör.
       
       „Haben Sie eigentlich gemerkt, dass ich eben die einzige Frau da oben auf
       dem Podium war?“, fragt Giffey, „Das sollte einem doch zu denken geben,
       oder?“ Gibt es ihr zu denken, dass alle ihre Stadträte männlich sind und 90
       Prozent der Teilzeitkräfte im Bezirksamt Frauen? „Ich bin kein Freund einer
       Frauenquote. Ich bin der Überzeugung, dass Leistung zählen sollte“, sagt
       Giffey und lächelt liebenswürdig.
       
       8 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Klöpper
 (DIR) Uta Schleiermacher
       
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