# taz.de -- Ungebührliches Verhalten in Berlin: Randale in Neuköllner Bibliothek
       
       > Die Helene-Nathan-Bibliothek in Berlin-Neukölln gilt auf einmal als
       > unsicher. Der Bezirk bestellt für die nächsten drei Monate einen
       > Sicherheitsdienst.
       
 (IMG) Bild: Installation des Künstlers Matias Faldbakken auf der Dokumenta.
       
       BERLIN taz | High Noon in der Helene-Nathan-Bibliothek: Es ist verdächtig
       ruhig in Neuköllns Stadtbücherei an der Karl-Marx-Straße. Nutzer schlendern
       durch die Räume, blättern in Büchern, recherchieren im Onlinekatalog.
       Plötzlich eine Kinderstimme: „Der sieht gefährlich aus, Papa!“ –„Ja, von
       dem sollten wir uns fernhalten“, antwortet ein Mann. Auf der anderen Seite
       des Regals stehen Vater und Sohn vor dem großen grünen Stoffdrachen, der
       den Eingang zur Kinder- und Jugendbibliothek bewacht.
       
       Alles friedlich also hier über den Dächern von Neukölln, in den obersten
       Etagen des Einkaufszentrums Neukölln Arcaden, wo die Bücherei seit dem Jahr
       2000 untergebracht ist.
       
       Wirklich alles? Nachdem Bildungsstadträtin Franziska Giffey, die
       designierte Nachfolgerin von Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (beide
       SPD), die Bibliothek vor ein paar Tagen besucht hatte, gab es
       Presseberichte von unhaltbaren Zuständen: Drogenhandel, Gewalt, sogar
       Geschlechtsverkehr auf den Toiletten. Die 29 Mitarbeiter hätten deshalb
       Wachschutz gefordert. 
       
       Am Dienstag teilte das Bezirksamt per Pressemitteilung mit, dass eine
       „dreimonatige Testphase für einen Sicherheitsdienst“ für die Bibliothek
       beschlossen wurde. Darüber hinaus solle es Absprachen darüber geben,
       „inwieweit mit der Jugendstraßensozialarbeit alternative Angebote in
       Nord-Neukölln für die Jugendlichen, die die Bibliothek als Aufenthaltsort
       nutzen, gemacht werden können“.
       
       ## Weder genügend Mitarbeiter noch Räume
       
       Die Bibliotheksleitung selbst nimmt gegenüber der Presse keine Stellung.
       Hört man sich unter den Angestellten um, erfährt man aber einiges über
       deren Probleme. Drogen und Sex, ja, das gab es, aber es steht nicht im
       Vordergrund, eher die wachsende Überforderung durch Gruppen von
       Jugendlichen und die Aggressionen, die manche hineintragen. Die überalterte
       Belegschaft sieht sich rein zahlenmäßig kaum in der Lage, den normalen
       Betrieb zu gewährleisten und dabei immer wieder disziplinierend
       aufzutreten.
       
       Der ruhige Schein um die Mittagszeit trügt offenbar: Voll und laut werde es
       nach Schulschluss, ab 14, spätestens 16 Uhr, so die Mitarbeiter. Dann seien
       die Tische in der Kinder- und Jugendabteilung voll, still gearbeitet werde
       aber selten. Gerade im Winter ist die Bücherei für viele Jugendliche aus
       dem Kiez ein angenehmer Ort, ohne Zugangsbeschränkung, ohne
       Dauerüberwachung wie in den Shopping-Ebenen der Arcaden. Es wird dann
       schnell laut und unruhig, bisweilen kippt die Stimmung ins Aggressive – für
       die übrigen Besucher eine Zumutung.
       
       Auf der anderen Seite gibt es genug zu tun in der Helene-Nathan-Bibliothek
       – das ist die andere, die positive Seite der Medaille: Im zweiten Stock
       sitzen um 11 Uhr schon 30 oder 40 meist jüngere Leute konzentriert über
       ihren Laptops. Unten sind andere in Zeitungslektüre vertieft, lassen sich
       an den Infotresen beraten oder studieren das Veranstaltungsprogramm.
       
       Die Politik der vergangenen Jahre, die Bibliothek als Treffpunkt zu
       etablieren, trägt also Früchte – nur gibt es weder genügend Mitarbeiter
       noch Räume, um das aufzufangen. Zwar wurden bis 2013 alle Bibliotheken auf
       Selbstausleihe per RFID-Technologie umgestellt, aber mit dieser aus
       EU-geförderten Maßnahme war auch die Auflage längerer Öffnungszeiten
       verbunden. Viel Personal wurde dadurch nicht frei. Hinzu kommen das hohe
       Durchschnittsalter und ein entsprechender Krankenstand.
       
       Die eleganteste Lösung ist ein Sicherheitsdienst wohl kaum, aber vielleicht
       eine halbwegs effektive. Securityleute sind in Neukölln indes nichts Neues:
       Sie waren von 2008 bis 2011 vor Schulen postiert – und seit zwei Jahren
       wieder. Für die Wiedereinführung des Wachschutzes 2012 sorgte übrigens
       Franziska Giffey. Sie begrüßte gestern die Entscheidung für einen
       Bibliothekssicherheitsdienst.
       
       10 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Claudius Prößer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Feministischer Kampftag
       
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