# taz.de -- Abgeordnetenhauswahl: Der Maschinist geht von Bord
> Beim Abschiedspressegespräch des nicht mehr kandidierenden
> Grünen-Haushaltsexperten Jochen Esser kommt andächtige Stimmung auf
(IMG) Bild: Der Grünen-Haushaltsexperte Jochen Esser in Aktion am Rednerpult des Abgeordnetenhauses - nach der Parlamentswahl am 18. September soll damit nach 17 Jahren Schluss sein
Bei Presseterminen mit Haushaltspolitikern gebe es immer nur Wasser und
Brot, sagt Jochen Esser, und bei ihm habe es immer gar nichts gegeben. Dass
das an diesem Dienstagmorgen im Raum 275 des Abgeordnetenhauses mit
Schnittchen und Schoko-Croissants anders ist, liegt daran, dass der
64-jährige Grüne bald kein Haushaltspolitiker mehr ist. Und auch kein
Abgeordneter, kein Schattenfinanzsenator und kein lautstarker Zwischenrufer
in Plenarsitzungen: Esser kandidiert bei der Parlamentswahl im September
nicht mehr, auch ein Regierungsamt will er nicht übernehmen, falls die
Grünen danach im Senat sitzen.
Wenn er wüsste, dass er 90 werde, würde er vielleicht noch fünf Jahre
weitermachen, auch nach jetzt schon 17 Jahren im Parlament. Aber wenn er
nur 70 werde? Nein, er wolle noch mal was anderes machen. Weltreise?
Vorsitz von irgendwas? Was macht dieser – im besten Sinne des Wortes –
Politjunkie mit Freizeit nach all den langen Tagen zwischen Zahlen und
Haushaltsposten? Es ist viel bescheidener: Immer habe die Politik keine
oder zu wenig Zeit für seine andere große Liebe gelassen, die Literatur –
„ich wünsche mir so sehr, dass es mal anders ist, ehe ich in die Kiste
steige.“
Das ist dann der Moment, in dem es fast andächtig wird in Raum 275. Esser
hat über die Jahre durchaus mal genervt mit arg langen Ausführungen, und
auch an diesem Morgen schiebt ihm der Fraktionspressesprecher einen Zettel
mit einem doppelt unterstrichenen „kurz“ rüber. Doch viel mehr hat er immer
wieder mit seiner Klugheit und Kenntnis brilliert. Nie hatte Esser ein
Regierungsamt, nur einmal waren die Grünen zu seiner Zeit kurz im Senat.
Fraktionsvorsitz, das hätten andere besser gekonnt, sein Job sei im
Maschinenraum der Politik, sagt er – „irgendwer muss den Kessel am Kochen
halten.“ Mal schauen, wer das künftig macht.
1 Mar 2016
## AUTOREN
(DIR) Stefan Alberti
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