# taz.de -- Die Wahrheit: Last Exit Brexit
       
       > Inselkunde für Nichtkenner: So ernst ist es den Briten mit ihrem Abgang
       > aus der Europäischen Union.
       
 (IMG) Bild: Prince Charles lässt man auf der Insel gern mal im Regen stehen.
       
       Den britischen Alltag unterscheidet nicht mehr viel von dem eines
       Dritte-Welt-Landes. Nur noch ein paar kleine Verbesserungen sind nötig, und
       die öffentliche Infrastruktur kann sich mit jeder unterentwickelten
       Weltregion messen. Ein Blick auf die Flüchtlingszahlen zeigt, dass
       Großbritannien bereits heute zu attraktiv ist für Menschen aus aller Welt.
       Waren es voriges Jahr fünf Flüchtlinge, die um Asyl nachsuchten, sind es
       2016 bereits siebzehn, darunter drei jugendliche Mitglieder der
       Königsfamilie, die das für einen Partygag hielten. Ein Anstieg um ziemlich
       viele Prozent!
       
       Schuld ist die EU. Logisch, dass David Cameron sein Land vor solchen
       Entwicklungen schützen will. Seit Jahren drohen insbesondere die
       Konservativen offen mit dem EU-Austritt. Selbstverständlich versucht
       Brüssel alles, um dies zu verhindern. Die EU ohne Großbritannien ist wie
       Nas ohne Horn, wie eine Pasta Bolognese ohne Rußpartikelfilter, wie die
       deutsche Nationalmannschaft der Synchronschwimmerinnen ohne Reiner Calmund
       – einfach unvorstellbar.
       
       Andererseits: Die letzten vernünftigen Ideen, die aus England kamen, waren
       die Dampfmaschine und der Fußballsport. Die weltumspannende Dankbarkeit für
       diese Innovationen hat spürbar nachgelassen. Es wäre an der Zeit, dass auf
       der Insel wieder etwas ausgeheckt wird, das interessanter ist als
       Bitterorangenmarmelade und die auf Dauer nur mäßig unterhaltsame Idee, dass
       die Queen erst abtritt, wenn ihr Sohn älter ist als sie.
       
       In sportlicher Hinsicht haben die Briten die Loslösung von Europa längst
       vollzogen. Abgesehen von der Premier League, die wegen des besseren Rasens
       ein nach England outgesourctes Freizeitvergnügen russischer Oligarchen und
       arabischer Ölscheichs ist, gehen sie nur noch endemischen Sportarten nach,
       in denen sie zwangsläufig Sieger sind: Rugby, Cricket, Bare-knuckle-fight.
       Natürlich ist der Sport nicht alles, aber oft zeigen sich relevante
       gesellschaftliche Stimmungen dort zuerst.
       
       Bleibt nur noch die Frage, ob ein Land, das man jahrhundertelang als
       Nichtschwimmer praktisch nicht verlassen konnte, überhaupt in der Lage ist,
       eine vernünftige Entscheidung zu treffen. Zudem ist England das Land des
       Konjunktivs, alles ist vage und bleibt im Ungefähren. Probably. May be.
       Perhaps. Das hat historisch-klimatische Gründe. Es liegt am
       allgegenwärtigen Nebel, der einer klaren Sinneswahrnehmung entgegensteht.
       Nicht ohne Grund wurde bei der eigentlich in London spielenden
       Edgar-Wallace-Verfilmung von „Das Gasthaus an der Themse“ der aus
       Kostengründen gewählte Drehort Hamburg so gründlich eingenebelt, dass sich
       noch heute Schiffe auf der Alster verfahren.
       
       Darum ist in England ein Baum nur eventuell ein Baum. Vielleicht aber auch
       Prinz Charles, der durch ausgedehnte Aufenthalte im Freien versucht, den
       Altersabstand zu seiner Mutter zu verkürzen. Muss man daher bei einer Idee,
       die aus dem Mutterland der Ironie kommt, nicht eben diese befürchten? War
       das mit dem EU-Austritt überhaupt ernst gemeint? Wenn die Briten im Juni
       darüber abstimmen, wird der Stimmzettel drei Möglichkeiten vorsehen – Yes,
       No und natürlich: Perhaps.
       
       26 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Robert Niemann
       
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