# taz.de -- Flüchtlinge vernetzen sich: „Zeit, etwas zu verändern“
       
       > An diesem Wochenende wollen sich 1.000 Geflüchtete auf Kampnagel treffen,
       > um ihren gemeinsamen Kampf für Menschenrechte zu organisieren.
       
 (IMG) Bild: Fordern ihre Rechte ein: demonstrierende Flüchtlinge.
       
       Als Ali Ahmed vom Sudan nach Europa floh, habe er gedacht, alle Menschen
       hätten hier Menschenrechte. „Aber dann habe ich gemerkt, dass das nicht
       stimmt“, sagt er. „Tiere haben hier mehr Rechte als Menschen.“ Ahmed lebt
       seit fast drei Jahren in Hamburg und ist einer der Sprecher der Gruppe
       „Lampedusa in Hamburg“. Zusammen mit anderen politisch aktiven
       Refugee-Gruppen und ihren UnterstützerInnen organisieren sie jetzt die
       bisher größte selbst organisierte Flüchtlingskonferenz: 1.000 Menschen aus
       Deutschland und anderen europäischen Ländern werden an diesem Wochenende
       auf Kampnagel erwartet – eine ungewöhnliche Möglichkeit über Menschenrechte
       zu reden und sie gleichzeitig in die Praxis umzusetzen.
       
       Unter dem Titel „The Struggles of Refugees – How to go on?“, „Der Kampf der
       Geflüchteten – Wie geht es weiter?“ wollen die Refugees über Rassismus,
       Asylpolitik, über ihre Lebensbedingungen in Europa und die Kämpfe an den
       EU-Außengrenzen diskutieren und sich vernetzen. Auf fünf Podien wollen sie
       die generellen Themen besprechen, während in über 30 Workshops konkretere
       Themen wie Selbstorganisation, Rechtsberatung, Bildung oder Rassismus
       gegenüber Sinti und Roma bearbeitet werden. Ein thematischer Schwerpunkt
       soll auch auf der Situation geflüchteter Frauen liegen.
       
       „Täglich gibt es Nachrichten über rassistische Vorfälle und
       Asylrechtsverschärfungen“, sagt Abimbola Odugbesan, Mitorganisator der
       Konferenz und auch ein Sprecher der Lampedusa-Gruppe. „Die Frage ist ja,
       wie wir damit umgehen und welche Perspektiven wir entwickeln“, erklärt er.
       Deshalb sei es wichtig, die Geflüchteten aus den verschiedenen Städten
       zusammenzubringen, um eine Basis zu schaffen, auf der sie gemeinsam
       weiterkämpfen könnten. „Es ist Zeit für uns, etwas zu ändern“, findet
       Odugbesan.
       
       Die Idee zur Konferenz sei bereits im August des vergangenen Jahres
       entstanden, als sich politisch aktive Geflüchtete schon einmal zu einer
       Konferenz getroffen hatten. 300 von ihnen waren in Hannover
       zusammengekommen. Sie planten, die nächste Konferenz in Hamburg zu machen.
       
       „Aber dann ist das Vorhaben immer größer geworden“, erzählt Odugbesan,
       „sodass wir es nicht von Hamburg aus allein organisieren konnten.“ 15
       Gruppen aus Calais, Amsterdam, Berlin und anderen Städten beteiligen sich
       nun an der Konferenz. In verschiedenen Arbeitsgruppen haben sie sich um die
       inhaltliche Gestaltung und Logistik wie Schlafplätze für Anreisende
       gekümmert, DolmetscherInnen, Verpflegung, Kinderbetreuung und ein
       Abendprogramm organisiert.
       
       Finanziert wird die Konferenz per Crowdfunding. Knapp 14.000 Euro haben die
       AktivistInnen bereits von privaten SpenderInnen und solidarischen Gruppen
       gesammelt. Von den etablierten Parteien unterstützt die Linkspartei als
       einzige das Vorhaben: „Uns ist es wichtig, dass Geflüchtete sich das Recht
       nehmen, sich selbst zu organisieren und ihre Interessen zu vertreten“, sagt
       der Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete Martin Dolzer. „Schließlich hat
       jeder Mensch das Recht, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Dazu gehört
       auch, selbst zu bestimmen, wo er oder sie leben möchte.“
       
       Aber wie viel kann die Konferenz wirklich verändern? Wie realistisch ist
       die Erwartung der Refugees, durch die Selbstorganisierung ein wenig
       unabhängiger von Verwaltungsstrukturen zu werden? „Sicher werden wir das
       bürokratische System durch unsere Konferenz nicht abschaffen“, sagt
       Odugbesan. „Aber dass wir uns politisch organisieren, wird trotzdem etwas
       verändern. Würden wir die bürokratischen Vorgaben streng befolgen, könnten
       wir uns nicht mal treffen, weil viele ihre Region gar nicht verlassen
       dürfen. Dass wir uns trotzdem treffen, ist ein guter Schritt, die Grenzen,
       auch die bürokratischen, ein Stück weit zu durchbrechen.“
       
       23 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Dotti
 (DIR) Katharina Schipkowski
       
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