# taz.de -- Regisseur Burman über „El rey del Once“: „Kein Tango in Buenos Aires“
       
       > Im jüdisch geprägten Textilviertel von Buenos Aires inszeniert Daniel
       > Burman humorvoll die Annäherung von Vater und Sohn.
       
 (IMG) Bild: Still aus „El rey del Once | The Tenth Man“.
       
       taz: Daniel Burman, ihr neuer Spielfilm „El rey del Once“ (dt.: Der König
       von Once) spielt im Stadtteil Once. Was macht diesen Ort in Buenos Aires so
       besonders? 
       
       Daniel Burman: Für einen Touristen ist Once vermutlich das letzte Viertel,
       das er besuchen würde, aber für mich ist es der Ort meiner Kindheit. Viele
       meiner Filme spielen dort.
       
       Ursprünglich war Once vor allem ein Viertel für den Stoffhandel. Mit der
       Krise der nationalen Textilindustrie hat sich auch das Angebot verändert.
       Heute bekommt man dort auch andere Importwaren für den Groß- und
       Einzelhandel. Während der Woche herrscht in den Straßen geschäftiges
       Treiben, doch wenn zum Wochenende die Läden schließen, scheint auf den
       Straßen nichts mehr los zu sein. Dann kommt das verborgene Leben eines
       Wohnviertel zum Vorschein.
       
       Auch in Ihrem Film „El abrazo partido“, (dt. Die geteilte Umarmung) der im
       Wettbewerb der Berlinale 2004 den großen Preis der Jury erhielt,
       entwickelten Sie in einer der Ladenpassagen von Once die turbulente
       Geschichte einer jüdischen Familie. Was ist für Sie das Besondere einer
       solchen Location? 
       
       Es ist zunächst der visuelle Reiz. Ich bin ein großer Fan von dieser Art
       von Geschäften und ihrer Ästhetik. Ein kleines Universum von zwanzig
       Quadratmetern, wo man Waren für 1 Peso einkauft, um sie später für 1,20
       Peso weiter zu verkaufen. Diese Geschäfte verändern sich kaum sichtbar,
       aber kontinuierlich. Sie sind Ausdruck der Persönlichkeit ihrer Inhaber.
       Das ist kein Tango-Buenos Aires.
       
       Früher war Once bekannt als das jüdische Viertel von Buenos Aires. Hat sich
       das inzwischen geändert? 
       
       Heute leben dort verschiedene Einwanderungsgruppen sehr friedlich
       nebeneinander – etwas, das woanders wohl eher selten ist. Auch die Gruppe
       der Juden in Once ist heterogen. Es gibt orthodoxe und weltlichere Juden,
       unter ihnen viele Händler. Und es gibt jene, die in meinem Film auftauchen.
       Das sind sehr arme Juden, viele davon alte Menschen, die von den
       Wirtschaftskrisen in Argentinien hart getroffen wurden und allein gelassen
       sind.
       
       Ariel, der Hauptdarsteller, arbeitet in New York in der Finanzbranche und
       kommt vielen Jahren nach Buenos Aires zurück, um Usher, seinen Vater, zu
       besuchen. Doch statt seinen Sohn persönlich zu begrüßen, vertröstet Usher
       ihn ein ums andere Mal. Er beauftragt ihn telefonisch jedes Mal neue Dinge
       für seine Stiftung zu erledigen, die sich als ein chaotischer Ort voller
       Menschen und guter Absichten herausstellt. Existiert dieser Ort tatsächlich
       in Once? 
       
       Ja, diese Stiftung gibt es wirklich und der Film wurde dort gedreht. Sie
       öffnet an zwei Tagen in der Woche, dienstags und donnerstags. Montags,
       mittwochs und freitags filmten wir dort. Manchmal kamen dann Leute
       ebenfalls an unseren Tagen, um nach Lebensmitteln oder Kleidung zu fragen.
       Sie hatten gesehen, dass geöffnet war. Und weil die ehrenamtlichen Helfer
       aus dem Film auch die der Stiftung sind, haben sich während des Drehs
       Realität und Fiktion permanent vermischt.
       
       Auch Usher, den Gründer der Stiftung gibt es wirklich? 
       
       Ja, er spielt sich selbst im Film und er wird mit uns auf der Berlinale
       sein.
       
       Wie haben solche dokumentarischen Momente den Stil und die Ästhetik des
       Films beeinflusst? 
       
       Die Ästhetik des Films ist eher das Ergebnis von etwas, das wir nicht im
       Voraus festgelegt haben. Bei dem Film hatte ich das Bild von einem
       landenden Raumschiff im Kopf – von Fiktion, die sich wie ein Körper über
       die Realität legt, sie adaptiert und in sich aufnimmt, aber sie nicht
       modifiziert. Niemals aber wollten wir Armut ästhetisieren.
       
       Für die englische Fassung haben Sie den Film in „The Tenth Man“ – der
       zehnte Mann umbenannt. Nach einer Regel im Judentum, dem Minjan, bedarf es
       zehn jüdischer Männer, um zum Beispiel das Totengebet zu sprechen. Welche
       Rolle spielt das Minjan in ihrem Film? 
       
       In gewisser Weise verkörpert der Vater das Prinzip des zehnten Mannes, von
       dem sich sein Sohn abgewandt hat. Am Ende übernimmt Ariel diese Aufgabe und
       ermöglicht anderen das zu tun, was sie tun möchten. Damit schließt sich der
       Kreis.
       
       Nicht zuletzt durch das Spiel Alan Sabbaghs als Ariel wird diese Rückkehr
       in das jüdisch geprägte Once zur humorvollen Erzählung über verschiedene
       Lebensentwürfe. In einer flüchtigen Einstellung taucht dann für einen
       Moment die Fassade der AMIA, der Zentrale der jüdischen Gemeinde auf.
       Worauf verweist das? 
       
       Wenn man durch Once geht, ist es unvermeidlich an diesem Ort
       vorbeizukommen. Durch die fehlende juristische Aufklärung und die
       Straflosigkeit hat sich die Tragödie des Bombenattentats von 1994 wie ein
       nachhallendes Echo in dieser Straße festgesetzt. Ich wollte deshalb die
       Einstellung unbedingt in den Film mit aufnehmen.
       
       12 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eva-Christina Meier
       
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