# taz.de -- Streit um direkte Demokratie in Berlin: Ein Stich ins Wespennest
       
       > Der Berliner Senat will künftig eigene Gegenkampagnen gegen
       > Volksentscheide durchführen und diese aus Steuergeldern bezahlen. Dagegen
       > gibt es Widerstand.
       
 (IMG) Bild: Volksinitiativen, -begehren und -entscheide werden in Berlin immer häufiger.
       
       Angesichts der oft fragmentiert wirkenden Bewegungslandschaft Berlins ist
       es ein beachtliches Zeichen: 71 Initiativen und Organisationen haben sich
       binnen weniger Tage zu einem Bündnis zusammengefunden, um gegen die
       geplante Änderung des Abstimmungsgesetzes ins Feld zu ziehen. Die Gruppen
       von Attac bis Kotti & Co, vom S-Bahn-Tisch bis zum Aktionsbündnis A100 eint
       dabei ein Kernanliegen: der Einsatz für mehr direkte Demokratie. Genau
       dieses Anliegen sehen sie durch den Änderungsvorschlag gefährdet.
       
       Künftig soll es dem Senat erlaubt sein, Gegenkampagnen zu Volksentscheiden
       aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren. „Das lehnen wir ganz klar ab, weil
       es ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen dem Senat, der ohnehin am
       längeren Hebel sitzt, und den Bürgern, die nur alle paar Jahre ihr
       Kreuzchen machen dürfen, noch verstärken würde“, sagt Michael Efler von
       Mehr Demokratie e. V. am Donnerstag bei der Vorstellung des neuen
       Bündnisses Volksentscheid retten.
       
       Am Montag soll die Gesetzesänderung im Innenausschuss beschlossen werden,
       danach wird sie dem Abgeordnetenhaus vorgelegt. „Unter Beachtung des Gebots
       der Sachlichkeit“ sollen Senat und Abgeordnetenhaus künftig „ihre Haltung
       zu einer Volksinitiative oder einem Volksbegehren geltend machen“ dürfen,
       heißt es dort. Und weiter: „Dies schließt den Einsatz angemessener
       öffentlicher Mittel ein.“ Was genau unter „angemessen“ zu verstehen ist,
       definiert der Entwurf nicht.
       
       „Der Senat und die Regierungskoalitionen haben mit diesem Vorstoß in ein
       Wespennest gestochen“, sagt Dorothea Härlin vom Berliner Wassertisch. Einen
       ersten Erfolg sieht sie in einer Nachbesserung der Gesetzesvorlage durch
       die Regierungsfraktionen selbst: Der ursprüngliche Antrag sah auch eine
       deutliche Verschärfung der Regelung zur Unterschriftensammlung vor. Diese
       Änderung nahmen die Fraktionen von SPD und CDU in dieser Woche zurück. Nur
       die Pflicht zur Angabe des Geburtsdatums soll bleiben, diese Regelung ist
       aus Sicht der Initiativen aber unproblematisch. Die neue Finanzierungsregel
       hingegen sei ein weiteres Indiz dafür, dass dem Senat direkte Demokratie
       ein Dorn im Auge sei, sagt Härlin. „Der Senat wird Steuermittel in den
       Rachen von Marketingfirmen werfen, um Stimmung gegen unliebsame
       Volksentscheide zu machen“, prognostiziert sie. „Es geht hier nicht nur um
       dieses eine Gesetz, sondern um den Umgang des Senats mit Volksentscheiden
       insgesamt“, sagt Michael Efler. Er erinnert an den Energie-Volksentscheid,
       dessen Wahltermin kurzfristig auf einen Tag abseits der ursprünglich
       vereinbarten Bundestagswahl verlegt worden war, sowie an das erst kürzlich
       geänderte Gesetz zum Tempelhofer Feld.
       
       Kommt das Gesetz durch, will das Bündnis sich auf seine Kernkompetenz
       besinnen: „Wir erwägen einen Volksentscheid für ein neues
       Volksabstimmungsgesetz“, sagt Härlin. Um die Hürden für Volksentscheide in
       Berlin allerdings tatsächlich zu senken und gleichzeitig die so erzwungenen
       Gesetze besser vor Änderungen durch das Parlament im Nachhinein zu
       schützen, wären Verfassungsänderungen nötig – und für einen solchen
       Volksentscheid liegen die Anforderungen deutlich höher als bei einer
       einfachen Gesetzesänderung.
       
       11 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Malene Gürgen
       
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