# taz.de -- Die Wahrheit: Polens andere Kartoffel
       
       > Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Jarosław „Ja“
       > Kaczyński, die graue Eminenz im sauber gebürstenen Staat hinter der Oder.
       
 (IMG) Bild: Klein, aber mächtig bis unter die Achseln: Jaroslaw Kaczynski.
       
       Um ihm auf Augenhöhe zu begegnen, müssen sie in die Knie gehen: Mit seinen
       senkrecht gemessenen 1,57 Metern ist Jarosław Kaczyński zwar klein, aber
       groß und so mächtig, dass Partei und Staat, Regierung und Justiz Gummi in
       seinen vier Händen sind.
       
       Jeden Morgen, den er werden lässt, treten Staatsoberhaupt Andrzej Duda,
       Premier Beata Szydło und die Minister bei ihm an und rufen wie aus ihrem
       Mund „Guten Morgen, geliebter Herr Präses!“. Bevor aber jeder seinen
       Arbeitsplan mit einem Diener oder Knicks zu fassen kriegt, prüft Kaczyński,
       ob die Ohren poliert, die Fingernägel gefegt und die Schuhe gekämmt sind,
       die Bügelfalten korrekt aus den Hosen ragen und die Röcke unten zu sind. So
       präsentiert er der ganzen Weltkugel das blank gebürstete Bild eines
       traditionsbewussten Polens, das endlich wieder nach alter Größe schnappt.
       
       Alle wissen, dass Kaczyński ihnen die Luft zuschrauben wird, wenn sie nicht
       nach seiner Nase tanzen. Formal ist er nur Parlamentsabgeordneter. Doch als
       von keinem Gesetz gezügelter Herr und Gebieter über die Partei Recht und
       Gerechtigkeit PiS bestimmt er, stolz aufgebläht seit dem Wahlsieg im
       Oktober 2015, über Sein oder Nichtsein von 38 Millionen Polen, wie in
       seinem Land die Menschen heißen. Damit alle weiterhin so heißen, müssen
       Flüchtlinge aus unterirdischen Regionen wie Afrika oder Nahost leider
       draußen bleiben, zumal sie Cholera, Ruhr und viele andere Parasiten und
       Bakterien einschleppen – allein 6.500 haben sich im letzten Jahr im
       polnischen Wirtsvolk niedergelassen!
       
       Die Erdkugel mit ihren sieben Milliarden Fremden zu viel betrachtet jeder
       völkische Politiker als Feindesland und begegnet ihr mit Argwohn und banger
       Hose. Vor allem zwei Nationen gehen Kaczyński, der außer Polnisch keine
       Fremdsprache spricht, über die Hutschnur: die Deutschen, die nach wie vor
       Schmierseife aus dem östlichen Nachbarn machen wollen, und die Russen, die
       den Heldentod seines Zwillingsbruders Lech auf ihrem riesigen Kerbholz
       haben.
       
       ## Geschickt inszenierter Anschlag
       
       Im April 2010 war Jarosławs zweites Ich beim Anflug auf Smolensk
       abgestürzt. Zwar liefen auch die russischen Fluglotsen nicht ganz rund,
       aber die Hauptschuld lag an der polnischen Besatzung und dem porösen
       Zustand der ohnehin zu vollgestopften polnischen Maschine – ein waschechter
       Beweis für eine russische Verschwörung! Dass kein einziger Krümel auf ein
       Komplott hindeutet, belegt nur, wie geschickt der Anschlag inszeniert
       wurde.
       
       Bis zu jenem Attentat, dessen Schuldige hiermit für alle Zeit festgerammt
       sind, hatten es Jarosław und Lech, die am 18. Juni 1949 das Licht der
       polnischen Erde erblickt hatten, schon einmal unternommen, Volk und Staat
       nationalkonservativ glattzuschrubben. Mithilfe ihrer selbstgemachten Partei
       PiS hatte Lech 2005 die Palme des Staatspräsidenten gesichert, während sich
       Jarosław 2006 den Stuhl des Ministerpräsidenten unter seine Obliegenheiten
       schob.
       
       Fortan waren die Zwillinge bestrebt, die Opposition zu zerfleischen, die
       letzten überlebenden Kommunisten an die Straßenköter zu verfüttern und
       Gott, der sich in der polnischen Geschichte oft nützlich gemacht hat, zur
       Belohnung in die Verfassung zu schreiben. Ein um sich selbst tanzendes
       Vaterland, das jedem Polen wie angegossen zu sitzen hat, und eine
       traditionelle Moral bis unter die Gürtellinie war das Ziel der beiden
       Brüder – doch wurden sie vom Verfassungsgericht, das mehrere zentrale
       Vorhaben in Grund und Boden schoss, auf halber Strecke stillgelegt.
       
       ## Geschickter Zermalmer
       
       Diesmal geht Kaczyński geschickter vor. Das Verfassungsgericht wurde gleich
       zu Anfang zermalmt; der Oberste Gerichtshof, der Rechnungshof und das Amt
       des Menschenrechtsbeauftragten werden demnächst bis auf die Knochen
       gesäubert, während unbotmäßige Staatsanwälte und Richter schon jetzt mit
       den Radieschen von unten rechnen müssen. Die Chefs von Radio und Fernsehen
       wurden zerstückelt, bei Polizei, Geheimdienst und Armee, Staatsunternehmen
       und Ministerien lautlos die alten Gesichter versenkt. Wenn schließlich die
       Medien als nationale Kulturinstitute eingespurt sind, werden sie endlich
       objektiv und verlässlich Polens Kultur und Geschichte bis in die höchsten
       Gipfel verherrlichen, aber – gesunde Kritik bleibt erlaubt –
       selbstverständlich außer den guten Seiten auch die noch besseren nicht
       verschweigen.
       
       Damit dann niemand als „nationaler Verräter“ oder „Pole der schlechteren
       Kategorie“ den guten Geruch jenseits der Oder verdirbt, wurde bereits die
       elektronische Überwachung der Bevölkerung steil ausgeweitet. Auch Ärzte,
       Journalisten und Anwälte brauchen sich nun nicht mehr zu scheuen, ihre
       nackten Berufsgeheimnisse vor Jarosław als einem Kaczyński der besten
       Kategorie auszubreiten.
       
       Dann aber ist er allwissend und hat seine Allmacht durch die
       Wiedererweckung Polens bewiesen; und auferstanden ist er nach dem Tod
       seines Bruders! Wohlan, so kann er jetzt sein Heilsprogramm vollenden:
       Kaczyński wird in die Verfassung geschrieben!
       
       8 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Köhler
       
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