# taz.de -- „Ernährung“ als Schulfach: Kinder sollten kochen lernen
       
       > In Berlin feiert die Grüne Woche den gesellschaftlichen Wandel beim
       > Umgang mit Lebensmitteln. Doch was lernen Kinder in der Schule?
       
 (IMG) Bild: Vorbildlich verspeisen diese Kinder ihre Vitamine.
       
       Berlin taz | Die Wertschätzung für Lebensmittel ist in der jungen
       Generation am geringsten. Zumindest nach dem Ernährungsreport, den
       Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) soeben auf der Grünen
       Woche in Berlin vorgestellt hat: Demnach werfen zwei Drittel der
       Jugendlichen mindestens einmal in der Woche Essen in den Müll. „Bei der
       älteren Bevölkerung ist das deutlich geringer“, stellte Schmidt fest. Der
       Geringschätzung will Schmidt mit Aufklärung begegnen. „Wir brauchen in
       Deutschland ein Schulfach Ernährung“, fordert Schmidt und kündigte an, mit
       der Kultusministerkonferenz (KMK) Gespräche führen zu wollen.
       
       Die Volksmeinung wähnt der Minister auf seiner Seite, gaben doch 92 Prozent
       der für die Ernährungsstudie Befragten an, sie würden einen
       „verpflichtenden Unterricht über eine gesunde Ernährungsweise in den
       Schulen“ befürworten. Der CSU-Minister ist nicht der Erste, der eine
       Ernährungswende über die Schulbank anstrebt.
       
       Schmidts Vorvorgängerin Renate Künast (Grüne) versuchte in ihrer Amtszeit
       als Landwirtschaftsministerin ebenfalls, die KMK zu diesem Schritt zu
       bewegen – erfolglos. „Die damalige KMK-Vorsitzende Dagmar Schipanski wollte
       das nicht“, erinnert sich Künast. „Kinder wissen heute viel über Autos und
       Computer, aber über ihren eigenen Körper und die Ernährung lernen sie zu
       wenig“, glaubt die Grünen-Politikerin. So fällt der Rückblick auf ihre
       Impulse als Verbraucherschutzministerin „zwiespältig“ aus, wie sie sagt:
       „Wir haben zwar jetzt massenhaft Modellprojekte, es fehlt aber die
       flächendeckende Umsetzung“ einer Schulbildung für gesunde Ernährung.
       
       Die KMK ihrerseits hat in den Jahren 2012 und 2013 zwei Grundsatzschlüsse
       zur „Verbraucherbildung an Schulen“ getroffen. Darin ist „Ernährung und
       Gesundheit“ allerdings nur eines von vier Themengebieten, die stärker in
       den Unterricht einfließen sollen – neben Wirtschaft, Medien und
       nachhaltiger Entwicklung.
       
       ## KMK: Ein eigenes Schulfach sei nicht nötig
       
       „Das Thema Ernährung“, lässt die KMK auf Anfrage ausrichten, „ist in allen
       16 Ländern Teil der Lehrpläne und wird in verschiedenen Unterrichtsfächern,
       wie Sachkunde, Hauswirtschaft, Biologie, sowie fachübergreifend und durch
       verschiedene extracurriculare Maßnahmen aufgegriffen.“ Ein eigenes
       Schulfach sei daher nicht nötig, Ernährung komme im Unterricht ausreichend
       vor. Zumal angesichts der bestehenden Stundenpläne, so ein KMK-Sprecher,
       eine weitere Ausdehnung des Fächerkanons kaum akzeptiert werden würde.
       
       Dass Ernährungsfragen in den Schulen ausreichend behandelt würden,
       bestreitet Lotte Rose von der Fachhochschule Frankfurt. Selbst wenn
       Ernährung im Stundenplan auftaucht, werde viel zu theoretisch und
       kopflastig vermittelt. Nötig sei, den Schülern auch den praktischen Umgang
       mit Lebensmitteln – sprich kochen – beizubringen.
       
       Am besten über das Schulessen, betonte Rose kürzlich auf einer
       Bildungskonferenz von „Slow Food“, einer Bewegung für nachhaltige
       Ernährung, in Berlin. „Leider gibt es zwischen der Bildungsebene und der
       Versorgungsebene in den deutschen Schulen kaum Berührungen“, bedauerte
       Rose.
       
       ## Lobbyschulmaterial statt neutraler Information
       
       Die meisten Schulen sind ohne eigene Küchen und beziehen das Essen von
       Cateringfirmen. Ernährungsbildung brauche eine Renaissance der Schulküchen.
       Da einheitliche Lehrpläne fehlen und die Ausgestaltung des Ernährungsthemas
       weitgehend dem Gusto des jeweiligen Lehrers folgt, sind anderen Einflüssen
       Tür und Tor geöffnet.
       
       Die [1][Verbraucherorganisation foodwatch hat in den vergangenen Jahren
       eine massive Zunahme von Unterrichtsmaterialien festgestellt], die von der
       Lebensmittelindustrie den Schulen kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
       So vertreibe der Schokoladenhersteller Ritter Sport eine Unterrichtsmappe
       an Biologie- und Geschichtslehrer, in der Schokolade als „ein Stückchen
       Energie“ dargestellt werde, das „schmerzlindernd“ und „gut für Herz und
       Kreislauf“ sei, berichtet Oliver Huizinga von foodwatch. Auch Dr. Oetker,
       Kellogs oder der Zwiebackhersteller Brandt vermischten Nahrungsinformation
       mit Produktwerbung.
       
       Neutrale Information, wie sie der vom Landwirtschaftsministerium
       finanzierte Agrar-Informationsdienst aid herausgibt, müssten die Lehrer
       bezahlen, kritisiert Huizinga. Eine entsprechende Beschwerde hat die KMK
       abgebügelt: Die Schulen seien auf das Sponsoring aus der Wirtschaft
       angewiesen. Und im Übrigen seien die Lehrer kritisch genug, unerwünschte
       Werbeeinblendungen auszusparen.
       
       20 Jan 2016
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.foodwatch.org/de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung-didacta-2015-schluss-mit-schleichwerbung-in-der-schule-foodwatch-fordert-kostenfreie-abgabe-von-staatlich-finanziertem-unterrichtsmaterial-fuer-ernaehrungsbildung-an-lehrer-und-schulen-kultusminister-muessen-w
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Manfred Ronzheimer
       
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