# taz.de -- Berlin: Politikirrsinn nach Köln: Rein ins Ghetto, raus aus dem Ghetto
       
       > Auch Berliner Politiker beteiligen sich nun am munteren
       > Vorschlagskarussell nach den Ereignissen von Köln. Geht‘s noch?
       
 (IMG) Bild: Machen sich Gedanken: Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) und der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD)
       
       Die Debatte um Köln und die Folgen hat die Berliner Landespolitik erreicht.
       In den Chor der Politiker, die sich mit absurden Vorschlägen für
       Gesetzesverschärfungen gegenseitig zu überbieten versuchen, hat sich auch
       der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) eingereiht. Er schloss
       sich am Montag der Forderung seines Parteichefs Sigmar Gabriel an, eine
       Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge einzuführen. Andernfalls, hatte
       Gabriel erklärt, ballten sich die Schwierigkeiten in Großstädten „und wir
       kriegen richtige Ghettoprobleme“.
       
       Laut Vize-Senatssprecher Bernhard Schodrowski ist sich der Senat einig,
       diese neue Form der Residenzpflicht zu fordern. Die Idee soll zwar Thema
       der Senatsklausur am Mittwochnachmittag sein, aber nicht mehr strittig. „Es
       ist Konsens, dass wir eine Wohnsitzauflage für Flüchtlinge fordern“, sagte
       Schodrowski am Dienstag nach der Senatssitzung, „die CDU hat‘s gefordert,
       der Regierende Bürgermeister hat‘s bestätigt.“ Auf der Senatsklausur soll
       es auch um Vorschläge der Christdemokraten gehen, die nach Köln mehr
       Videoüberwachung und die generelle Veröffentlichung von ethnischer Herkunft
       und Nationalität von Tatverdächtigen fordern.
       
       SPD-Integrationssenatorin Dilek Kolat wehrte sich gegen den Eindruck, sie
       persönlich wende sich damit von ihrer bislang kritischen Haltung gegenüber
       einer Residenzpflicht ab: Diese betreffe Flüchtlinge im Asylverfahren und
       allein die Reisefreiheit. Beim aktuellen Vorstoß gehe es um jene, die
       erfolgreich das Verfahren durchlaufen haben. „Ich finde es richtig, dass
       die großen Städte sich Gedanken machen, dass es zu einem Ansturm auf sie
       kommt.“ Ein vorgeschriebener Aufenthaltsbereich könne auch von Vorteil für
       Regionen mit sinkender Einwohnerzahl sein.
       
       Dass die hiesige SPD Gabriels Vorschlag aufgreift, muss BerlinerInnen
       besonders bizarr erscheinen. Denn es ist die Landesregierung selbst, die
       derzeit neue Ghettos schafft. Wer will im ehemaligen Flughafen Tempelhof
       bis zu 7.000 Flüchtlinge unterbringen? Wer plant denn dort eine Schule,
       Werkstätten und ein Jobcenter (siehe Grafik) – weil er genau weiß, dass
       dies keine kurzfristige Notunterkunft ist, sondern Menschen wohl über Jahre
       in den Hangars werden leben müssen? Wer will denn zur langfristigen
       Unterbringung „Mobile Unterkünfte für Flüchtlinge“ (MUFs) mit je 500
       Plätzen bauen?
       
       Kleiner Tipp: Wer keine Ghettos will, muss günstige Wohnungen für alle
       bauen – und zwar verteilt in der ganzen Stadt. Und günstig heißt nicht die
       bei „sozialem“ Neubau üblichen 6,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter, damit
       die städtischen Wohnungsbaugesellschaften Gewinn machen. Günstig heißt,
       dass das Jobcenter die Miete übernimmt – für Deutsche wie für Flüchtlinge.
       
       A propos Deutsche: CDU-Fraktionschef Florian Graf will, dass die Polizei
       künftig grundsätzlich Nationalität und Herkunft von Tatverdächtigen bekannt
       gibt. Unklar blieb, ob die Nationalität auch bei deutschen Tatverdächtigen
       genannt werden soll. Und wenn wir schon dabei sind: Warum nicht auch die
       Nationalität der Opfer von Straftaten nennen? So könnte man vielleicht dem
       – auch in Köln wieder zu beobachtenden – Vorurteil begegnen, es seien immer
       „Deutsche“, die Straftaten von „Ausländern“ zum Opfer fielen.
       
       An dieser Stelle noch kurz eine Leseempfehlung an die SenatorInnen für die
       Klausur: Schauen Sie doch mal in die Polizeiliche Kriminalstatistik 2014,
       wo es ab Seite 104 um „Tatverdächtige nach Staatsangehörigkeit“ geht. Dort
       heißt es, „dass die Staatsangehörigkeit für sich alleine betrachtet kein
       kriminogener Faktor ist. Die Ursachen für Kriminalität sind vielfältig ...“
       
       12 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Memarnia
 (DIR) Stefan Alberti
       
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