# taz.de -- Völkermord in Ruanda: Lebenslang für „Vernichtungsabsicht“
       
       > Das OLG Frankfurt verurteilt Exbürgermeister Onesphore Rwabukombe zu
       > lebenslanger Haft – und verschärft damit ein erstes Urteil.
       
 (IMG) Bild: Das Gericht sieht die „besondere Schwere der Schuld“: Onesphore Rwabukombe.
       
       Berlin taz | Als am Morgen des 11. April 1994 Soldaten, Gendarmen,
       Polizisten, Hutu-Milizionäre und Zivilisten mit Macheten, Lanzen, Knüppeln.
       Äxten und Hacken vor der Kirche von Kiziguru in Ruanda erschienen, wussten
       die rund 460 Tutsi im Kirchengebäude, dass ihre Stunde geschlagen hatte.
       
       Es war der fünfte Tag der organisierten Menschenjagd in Ruanda, bei dem
       Militär und Staatsapparat zielgerichtet alle Tutsi des Landes ausrotten
       wollten. Auf der Suche nach Schutz hatten sich die Tutsi von Kiziguro in
       die Kirche geflüchtet. Die Autoritätspersonen des Ortes befahlen den
       Angriff auf die Kirche; nur wenige sollten überleben.
       
       Zu den anwesenden Autoritätspersonen gehörte Bürgermeister Jean-Baptiste
       Gatete sowie ein anderer Bürgermeister, Onesphore Rwabukombe, der mit den
       Bewohnern aus seiner Gemeinde Muvumba hierher geflohen war. Rwabukombe rief
       dazu auf, Gatetes Befehl zum Töten zu befolgen, sorgte für Nachschub und
       ließ Leichen abtransportieren. Am 29. Dezember 2015 ist Rwabukombe vom
       Oberlandesgericht Frankfurt daher wegen Mittäterschaft am Völkermord zu
       lebenslanger Haft verurteilt worden.
       
       Es ist bereits das zweite Urteil, das das OLG Frankfurt gegen den Ruander
       fällt. Er war nach dem Völkermord mit seiner Familie nach Deutschland
       geflohen, wo er studiert hatte, und genoss politisches Asyl, bis Ruanda
       seine Auslieferung forderte und die deutsche Justiz ihn dann lieber selbst
       vor Gericht stellte. Im Februar 2014 hatte ein anderer Strafsenat in
       Frankfurt den Exbürgermeister lediglich wegen „Beihilfe“ zum Völkermord
       schuldig gesprochen und zu 14 Jahren Haft verurteilt, abzüglich sechs
       Monate wegen der langen Verfahrensdauer.
       
       Der Bundesgerichtshof hatte dieses Urteil gekippt – als zu lasch.
       Rwabukombe sei nicht als „Gehilfe“, sondern als „Mittäter“ zu verurteilen,
       so die Bundesrichter, als sie im Mai 2015 den Fall zurück an das OLG
       Frankfurt verwiesen. Sie stellten fest, der erstinstanzliche Senat habe die
       von ihm selbst erhobenen Beweise falsch gewürdigt: Der Bürgermeister habe
       durchaus in „Vernichtungsabsicht“ gehandelt, womit der Tatbestand des
       Völkermordes erfüllt sei.
       
       Tatsächlich hatten die Frankfurter Richter im Urteil von 2014 das schon
       deutlich erkennen lassen. Er habe durch seine Tötungsaufrufe zu verstehen
       gegeben, „dass die von Gatete angeordnete Tötung der auf das Kirchengelände
       geflohenen Tutsi auch seinem Willen entsprach“. Wie daraus konstruiert
       werden konnte, Rwabukombe habe nicht in „Vernichtungsabsicht“ gehandelt,
       verstanden die Bundesrichter nicht und ordneten eine Neuverhandung an.
       
       Die hat nur wenige Wochen gedauert – der ursprüngliche Prozess brauchte
       drei Jahre. Der Senat befand jetzt, Rwabukombe habe „wissentlich und
       willentlich das Massaker mit den anderen Autoritäten vorbereitet,
       organisiert, befehligt und ausgeführt“. Er habe „nicht nur neben den
       weiteren Befehlshabern gestanden, sondern auch versucht, das Vorgehen zu
       beschleunigen und zu Ende zu bringen“. So sei ihm die Vernichtung der Tutsi
       in Kiziguro während des Massakers durchaus ein eigenes Anliegen gewesen,
       unabhängig davon, ob dies ansonsten der Fall war.
       
       Folglich, so die Richter, sei dem Ruander „die für den Tatbestand des
       Völkermordes in subjektiver Hinsicht erforderliche Zerstörungsabsicht“ zu
       unterstellen. Rwabukombe hatte vor Gericht dazu nichts gesagt, sondern
       beteuert, er sei gar nicht da gewesen – was Augenzeugen eindeutig widerlegt
       hatten.
       
       Das Gericht erkannte auf Antrag des Generalbundesanwalts außerdem auf
       „besondere Schwere der Schuld“, wonach Rwabukombe nicht, wie bei
       lebenslanger Haft eigentlich üblich, nach 15 Jahren automatisch freikommt.
       Der Ruander ist heute 58 Jahre alt.
       
       Das Urteil ist immer noch nicht rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof kann
       nun auf Antrag prüfen, ob es seinen Vorgaben entspricht oder nicht.
       
       29 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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