# taz.de -- Kommentar zur EU-Flüchtlingspolitik: Mehr als ein Ost-West-Konflikt
       
       > Europa droht in der Flüchtlingsfrage an nationalen Egoismen zu
       > zerbrechen. Was genau macht die viel beschworenen europäischen Werte aus?
       
 (IMG) Bild: Europa versagt vor der humanitären Herausforderung unserer Zeit
       
       Was ist von Europa noch übrig? Nicht viel, wie es scheint. Jetzt hat sich
       auch noch EU-Ratspräsident Donald Tusk auf die Seite jener Regierungen in
       Osteuropa geschlagen, die sich mit aller Macht gegen eine Aufnahme von
       Flüchtlingen stemmen.
       
       Statt einen Kompromiss zu suchen, wie es seine Aufgabe als EU-Ratschef
       wäre, vertieft Tusk die Spaltung Europas und stellt Angela Merkel ein Bein.
       Die hatte am vergangenen Wochenende am Rande des EU-Türkei-Gipfels eine
       kleine Koalition der Willigen geschmiedet: Sie wollen bei der Aufnahme von
       Flüchtlingen mit gutem Beispiel vorangehen, bis zu eine halbe Million
       Flüchtlinge per Kontingent aus der Türkei nach Europa holen und sie über
       den Kontinent verteilen.
       
       Aber schon der EU-Beschluss, 120.000 Flüchtlinge aus den überfüllten Lagern
       in Italien und Griechenland zu verteilen, geht vielen zu weit. Polens neue
       Regierung sieht sich nicht mehr daran gebunden, nach der Slowakei will auch
       Ungarn dagegen klagen. Und hinter den Kontingent-Plänen wittert Ungarns
       Regierungschef Viktor Orbán gar eine „Verschwörung“. Je mehr der Widerstand
       gegen Flüchtlinge wächst, desto mehr schmilzt das geplante Kontingent dahin
       – zuletzt war nur noch von 400.000 Flüchtlingen die Rede. Merkels
       ambitionierter Plan droht am neuen Ostblock zu zerschellen.
       
       Dahinter steht aber mehr als ein neuer Ost-West-Konflikt. Es ist ein
       Konflikt um die Frage, was die viel beschworenen europäischen Werte
       ausmacht. Denn auch westeuropäische Länder wie Großbritannien und Dänemark
       stehlen sich aus ihrer humanitären Verantwortung, andere ziehen nur
       widerwillig mit. Zwar hat Deutschland Druckmittel: Es kann EU-Gelder kürzen
       lassen oder zum Dublin-Verfahren zurückkehren und die Flüchtlinge in jene
       Länder zurückschicken, in denen sie zuerst die EU betreten haben. Doch dann
       wäre Europa endgültig dahin.
       
       Europa droht in der Flüchtlingsfrage an nationalen Egoismen zu zerbrechen
       und versagt vor der humanitären Herausforderung unserer Zeit. Dass sich
       Deutschland „solidarisch“ neben Frankreich am Syrienkrieg beteiligt, wirkt
       da wie eine Ersatzhandlung. Ihren Friedensnobelpreis kann die EU dann auch
       langsam mal zurückgeben.
       
       4 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Angela Merkel
 (DIR) EU-Kommission
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Geflüchtete
 (DIR) Donald Tusk
 (DIR) Zentrum für Politische Schönheit
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Feuerwehr
 (DIR) Bremen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Buchpremiere von Philipp Ruch: Sag mir, wo die Visionen sind
       
       Philipp Ruch vom Zentrum für Politische Schönheit stellt in Berlin sein
       Buch „Wenn nicht wir, wer dann?“ vor. Er gibt den Günther Jauch.
       
 (DIR) Anschläge auf Meißner Flüchtlingsheim: Zwei tatverdächtige Männer in Haft
       
       Fünf Monate nach einem Brandanschlag auf eine unbewohnte
       Flüchtlingsunterkunft in Meißen sind ein 37-Jähriger und ein 41-Jähriger
       gefasst worden.
       
 (DIR) Stadtrat über Gewalt unter Flüchtlingen: „Natürlich kommt es zu Konflikten“
       
       Wer schon mal an einem Zeltlager teilgenommen hat, versteht die Lage in
       Sammelunterkünften, sagt Reiner Prölß. Er ist Stadtrat in Nürnberg.
       
 (DIR) Entlastung: Retter im Stress
       
       Die Feuerwehr hat mehr als 6.000 Notfalltransporte für Flüchtlinge
       geleistet. Jetzt bewilligen die Krankenkassen sechs neue Rettungswagen.
       
 (DIR) Elende Konkurrenz: „Wir lassen keinen Deutschen erfrieren“
       
       Bisher waren Obdachlose eine Opfergruppe rechter Gewalt. Jetzt entdecken
       rechte Asylgegner sie für ihre Propaganda.