# taz.de -- Zum Tode Helmut Schmidts: Der rauchende Opa aus der Glotze
       
       > Für die Älteren war Helmut Schmidt ein Ex-Kanzler. Für die Jüngeren war
       > er: kultig, kauzig und vor allem der letzte würdige Kanzler a. D.
       
 (IMG) Bild: Trauer um Helmut Schmidt in Hamburg.
       
       Berlin taz | Zur Begrüßung hatte sich Sandra Maischberger eine Laudatio
       zurechtgelegt: 96 Jahre alt sei ihr Gast. Deutschlands beliebtester
       Bundeskanzler sei ihr Gast. Noch immer gut für Schlagzeilen sei ihr Gast.
       Aus Hamburg sei ihr Gast.
       
       Dann, am Ende der Aufzählung, drehte die Moderatorin ihren Kopf zum Gast.
       „Herzlich willkommen, Herr Schmidt!“, sagte sie mit Festtagsstimme.
       
       Helmut Schmidt blies eine kleine Rauchwolke aus dem Mund, drehte den Kopf
       zur Moderatorin, um eine große Rauchwolke aus dem Mund zu blasen. „Ja“,
       antwortete er dann.
       
       Der paffende, schnoddrige Großvater aus der Glotze: Helmut Schmidt wird
       einem großen Teil der Deutschen so in Erinnerung bleiben wie bei seinem
       letzten Fernsehauftritt im April 2015. All jenen zumindest, die jünger sind
       als Mitte oder Ende dreißig, die sich an Schmidts aktive Zeit also nicht
       erinnern. Despektierlich ist das nicht gemeint: Gerade unter den Jüngeren
       hatte Schmidt schließlich einen Kultstatus, sorgte für Einschaltquoten,
       galt als moralische Instanz.
       
       Einen besseren Altkanzler als ihn hatten die Jungen eben nie. Seit Willy
       Brandt 1992 starb, amtierte er als alleiniger Elder Statesman der
       Bundesrepublik. Der Nachwuchs, der einige Jahre später in den Ruhestand
       drängte, kam nie an ihn heran. Weder Kohl (Spendenaffäre) noch Schröder
       (Gazprom) gelang es, ihr Leben nach der Kanzlerschaft auch nur annähernd so
       würdevoll zu gestalten.
       
       Bis zuletzt blieb Schmidt also der Einzige, der die Nachfrage nach einem
       wahrhaftigen Altkanzler bedienen konnte. Dabei ging es weniger um
       Orientierung, nicht darum, dass ein alter Kämpfer die Rezepte für die
       Probleme der Gegenwart präsentiert. Bei seinen Fernsehauftritten zweifelte
       er etwa am Klimawandel und kritisierte den Atomausstieg – keine Positionen,
       auf die die Nachgeborenen gewartet haben. Positionen aber, die eine Wärme
       der Nostalgie ins Wohnzimmer brachten, wie es sonst nur der
       „Tatort“-Vorspann am Sonntagabend schafft.
       
       Obwohl die Realität sie überholt hatte, blieb er bei Positionen, die er
       schon 1980 für richtig hielt. Obwohl es längst verboten war, rauchte er
       überall, selbst im Fernsehstudio. Und obwohl die Zeitungsredaktionen nach
       seinen Klinikaufenthalten längst die Nachrufe formuliert hatten, blieb
       Helmut Schmidt am Leben. Er hielt durch bis zum 10. November 2015 und starb
       in dem Herbst, als in Berlin endlich eine geeignete Kandidatin auftauchte –
       für seine Nachfolge, irgendwann, als berufene Altkanzlerin.
       
       11 Nov 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tobias Schulze
       
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