# taz.de -- Umwelt-Aktivist über Aktionen in Paris: „Der Protest ist unaufhaltsam“
       
       > Klein beigeben wegen des Terrors? Nein, sagt der Aktivist Selj B. Lamers.
       > Er hält Störaktionen bei der Konferenz für ein starkes Zeichen von
       > Freiheit.
       
 (IMG) Bild: Beim Vorbereitungsgipfel in Brüssel fragte noch niemand, was im Koffer ist.
       
       taz: Herr Lamers, Sie wollen rund um den Klimagipfel Chaos nach Paris
       bringen. Was soll das? 
       
       Selj B. Lamers: Moment mal, da haben Sie aber etwas nicht ganz verstanden.
       
       Und das wäre? 
       
       Wir bringen kein Chaos, wir bringen eine frische Brise Freiheit. Was nach
       den üblen Terroranschlägen von Paris nun am meisten gebraucht wird, sind
       Orte, an denen wir unsere Freiheit zeigen und bewahren können. Ich bin der
       Meinung, dass kollektive Aktionen und ziviler Ungehorsam ein sehr starkes,
       selbstbestimmtes Zeichen von Freiheit sind.
       
       Sie gehören einer Aktivistengruppe an, die während des Gipfels die
       sogenannten Climate Games veranstalten will. Was soll das sein? 
       
       Das ist ein Aktionsformat, das es Menschen ermöglichen soll, ihre ganz
       eigene, gewaltfreie Form des zivilen Ungehorsams zu leisten. Das können
       Protestaktionen bei Unternehmen der Ölindustrie sein, bei großen
       Verschmutzern wie Air France, bei besonders rückständigen
       Länderdelegationen. Unser Format ermöglicht es den Leuten, ihre eigenen
       Aktionen umzusetzen, aber dennoch einen kollektiven Bezug herzustellen, wie
       in einem großen, vielschichtigen Netzwerk. Wir sagen: Wir sind der Schwarm.
       
       Die französische Bevölkerung ist verunsichert. Da wirken Ihre Pläne extrem
       unsensibel. 
       
       Wir sind alle betroffen und emotionalisiert, und natürlich diskutieren wir
       gerade mit unseren französischen Freunden, wie genau diese Proteste
       aussehen können. Aber eines ist klar: In Paris wird die weltgrößte
       Zusammenkunft sozialer Bewegungen in diesem Jahr stattfinden. Dort kommen
       nicht nur Umweltaktivisten, sondern auch Aktivistinnen und Aktivisten
       zusammen, die weltweit gegen soziale Ausbeutung, Krieg, Rassismus und
       Ungerechtigkeit kämpfen. Das ist die einmalige Gelegenheit, Verbindungen
       zwischen all diesen Akteuren herzustellen und deshalb können Sie es als
       einen Fakt nehmen: Die Klimaproteste in Paris sind ebenso unaufhaltsam wie
       der Klimagipfel selbst.
       
       Dennoch: Die französische Regierung will den Notstand ausrufen – ist es da
       nicht auch gefährlich, die Leute zu unübersichtlichen Protesten auf die
       Straßen zu rufen? 
       
       Erstens: Es gibt ja gar keinen Grund, Angst vor uns zu haben. Unsere
       Organisationsstrukturen sind offen und transparent, unsere Proteste
       angekündigt. In Zeiten, in denen die ganze Welt auf Paris schaut, ist es
       doch umso mehr die Aufgabe der französischen Sicherheitsbehörden, den
       zivilgesellschaftlichen Stimmen ihren Raum zu geben.
       
       Und zweitens? 
       
       Es obliegt eben nicht nur der französischen Regierung, den Notstand
       auszurufen. Es obliegt ebenfalls den Menschen, den Notstand auszurufen. Und
       wenn es einen Grund gibt, einen Notstand auszurufen, dann hat die globale
       Klimabewegung durch ihre langjährige Arbeit an den Frontlinien globaler
       Verwerfungen nun wirklich allen Grund dazu, dies selbst zu tun. Wir müssen
       uns von niemandem erklären lassen, was Terror ist. Und wir wollen den
       multiplen Formen von Terror eine große globale Friedensbewegung
       entgegensetzen.
       
       Wie meinen Sie das? 
       
       Wir kämpfen in Paris ja nicht gegen Moleküle in der Atmosphäre, sondern
       gegen soziale Ungerechtigkeit, die den globalen Machtordnungen entspringt.
       Es ist doch offensichtlich, dass es hier einen starken Bezug zu der Art und
       Weise gibt, wie unsere Regierungen gegen den Terror vorgehen. Die zentralen
       Konflikte, die Chaos und Instabilität in die Welt bringen, basieren oft auf
       Ressourcenkämpfen. Deswegen ist die globale Klimarechtsbewegung aus meiner
       Sicht auch die ultimative Friedensbewegung.
       
       Wie bitte? 
       
       Ja. Denn sie führt die zentralen Konflikte zusammen. Deswegen ist es auch
       so wichtig, dass wir selbst darüber bestimmen, wie wir die Wochen rund um
       den Klimagipfel in Paris gestalten wollen. In meiner Fantasie können das
       große Wochen werden. Denn sollte Frankreichs Präsident Hollande tatsächlich
       beschließen, dass er auf den internationalen Terror genauso antworten will,
       wie es einst George W. Bush tat – mit Bomben, Raketen und der Einschränkung
       der Bürgerrechte –, dann steht ihm womöglich die größte Friedensbewegung
       der Welt gegenüber. Das sind wir. Und deswegen sind wir dort richtig.
       
       17 Nov 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Kaul
       
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