# taz.de -- Podcast „Wer hat Burak erschossen?“: Deutschlands „Serial“
       
       > Der rbb rollt einen ungeklärten Mordfall wieder auf und erzählt ihn als
       > neunteiligen Podcast. Fast so wie das Vorbild aus den USA.
       
 (IMG) Bild: Im Berliner Stadtteil Neukölln wurde Burak B. im April 2012 erschossen. Bis heute gibt es keinen Hinweis auf den Täter.
       
       Der Abend des 4. April 2012 beginnt für Burak Bektas wie viele andere. Der
       22-Jährige verabschiedet sich gut gelaunt von seiner Mutter und trifft
       Freunde. Sie ziehen durch die Straßen von Berlin-Neukölln, trinken und
       reden. Dann taucht ein Mann auf, zieht eine Waffe und schießt. Zwei Jungs
       werden schwer verletzt, Bektas stirbt.
       
       Es ist einer der rätselhaftesten Morde in der Berliner Kriminalgeschichte.
       Die Polizei ermittelte monatelang, die Boulevardpresse spekulierte über
       Bandenkriminalität, selbst „Aktenzeichen XY … ungelöst“ beim ZDF rätselte
       mit. Aber Täter und Motiv blieben unklar.
       
       Der Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb) hat [1][den Fall neu aufgerollt].
       Neun Wochen lang senden radioeins (9.10 Uhr) und Kulturradio (14.10 Uhr) ab
       heute jeden Donnerstag eine fünfminütige Folge der Reihe „Wer hat Burak
       erschossen?“. Online gibt es eine Langversion zum Download und [2][eine
       Webdoku].
       
       Philipp Meinhold, Autor der Serie, spricht mit Familie und Freunden von
       Bektas, interviewt Polizisten, Journalisten und Aktivisten, die den Mord
       aufklären wollen. Sie alle zeichnet das Bild eines freundlichen,
       ehrgeizigen jungen Mannes, der nichts mit kriminellen Machenschaften zu tun
       hatte. „Der Fall Burak ist mehr als ein Kriminalfall“, sagt Jens Jarisch,
       Redakteur des rbb-Podcasts. „Denn vor dem Hintergrund der erschütternden
       NSU-Morde ist die These, dass dahinter ein rassistisches Motiv stecken
       könnte, noch unterbeleuchtet.“
       
       ## So hip wie Fernsehserien
       
       Dass sich Radiojournalisten mit ungelösten Kriminalfällen beschäftigen, ist
       nicht neu. Dass sie ihre Ergebnisse aber als Serie aufbereiten,
       inszenieren, dramatisieren und den Prozess ihrer Arbeit dokumentieren,
       hingegen schon – zumindest in Deutschland. Das Vorbild kommt aus den USA.
       Vor gut einem Jahr startete dort „[3][Serial]“, ein zwölfteiliger Podcast
       über den [4][Mord an einer 18-Jährigen 1999 in Baltimore]. Wöchentlich
       berichtete die Autorin Sarah Koenig über ihre Recherchen und löste einen
       regelrechten Podcast-Hype aus. Das Abonnieren von Radiobeiträge war
       plötzlich fast so hip wie Fernsehserien.
       
       „Serial hat Lust auf neue Formate im Radio gemacht und gezeigt, dass man
       auch mit Audio süchtig machen kann“, sagt Jana Wuttke, Redakteurin der
       Deutschlandradio-Sendung „[5][Breitband]“. Auch ihre Redaktion hat gerade
       [6][einen ähnlichen Podcast] zu einem Kriminalfall produziert. In acht
       Folgen befassten sie sich mit dem Mord an dem 20-jährigen Asylbewerber
       [7][Khaled Idris Bahray] im Januar in Dresden. Die Autorin sprach mit
       Aktivisten, Freunden und Nachbarn, besuchte den Prozess. Daraus wurde jede
       Woche eine aktuelle Folge – und mit jeder kamen neue Schwierigkeiten: Die
       Behörden mauerten, die Freunde von Khaled waren misstrauisch, Nachbarn
       schlugen die Tür zu. So wurde „Mehr als ein Mord“ eher die
       [8][Dokumentation einer journalistischen Recherche].
       
       Im Mordfall Burat Bektas trifft rbb-Autor Meinhold auf offenere
       Gesprächspartner. Aber auch seine Arbeit ist noch nicht abgeschlossen:
       Während die ersten Folgen gesendet werden, recherchiert er weiter. Wie die
       Serie im Dezember endet, ist deshalb noch unklar.
       
       Allerdings, sagt Feature-Redakteur Jarisch, erwarte er nicht, dass er den
       Mörder vor sein Mikrofon bekäme. „Die Aufklärung ist Sache der Polizei.
       Unsere Aufgabe ist, die Geschichte zu erzählen und die Aufmerksamkeit für
       das Thema zu schärfen“, sagt er.
       
       Nur wer gute Geschichten erzählen will, muss sie inszenieren. „Serial“ war
       auch deswegen so erfolgreich, weil es wie eine Fernsehserie erzählt wurde,
       mit Spannungsbögen und Cliffhanger. Moderatorin Koenig legte ihre
       Überlegungen und Zweifel offen, so dass man als HörerIn hin- und
       hergerissen war, welchem interviewten Gesprächspartner man glauben kann.
       
       ## Weniger Inszenierung
       
       Die beiden deutschen Nachfolger im rbb und Deutschlandradio inszenieren
       ihre Geschichten weniger stark. Das liegt zum Teil daran, dass den
       AutorInnen noch die Leichtigkeit einer Sarah Koenig fehlt. Zum anderen aber
       auch daran, dass das Verständnis von journalistischer Ethik hier ein
       anderes ist als in den USA.
       
       Sowohl die rbb- als auch die „Breitband“-Redaktion haben sich vor der
       Sendung gefragt, wie weit sie mit der Inszenierung der Fälle gehen können.
       Dürfen Journalisten „die Wahrheit“ so erzählen, dass sie spannend ist?
       Dürfen Fakten zurückhalten werden, weil sie sich in einer späteren Folge
       besser in die Geschichte einfügen?
       
       Für Jens Jarisch, der als Feature-Chef auch für die Hörspiele im rbb
       zuständig ist, heiligt der Zweck die Mittel: „Wir wollen mit der Reihe
       Leute für das Thema interessieren, die sich nicht nur für harte Nachrichten
       interessieren. Dafür müssen wir dramaturgisch eingreifen“, sagt er. Jana
       Wuttke ist da etwas zurückhaltender: „Ich will diesen schrecklichen Tod
       nicht benutzen, nur um zu unterhalten. Ich hätte schon ein Problem damit,
       wenn jemand denkt, unsere Reihe sei ein Kriminalhörspiel.“ Trotzdem hat
       ihre Redaktion Szenen aus dem Gerichtssaal von Schauspielern vertonen
       lassen – weil sie im Prozess nicht mitschneiden durften.
       
       Beide sind sich einig, dass die Entwicklung serieller Podcasts in
       Deutschland noch am Anfang steht. Ihre beiden Produktionen sind dafür
       jedenfalls ein guter Auftakt.
       
       15 Oct 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.radioeins.de/themen/_/burak/index.html
 (DIR) [2] http://webdoku.rbb-online.de/burak
 (DIR) [3] http://serialpodcast.org/
 (DIR) [4] /!5030965/
 (DIR) [5] http://breitband.deutschlandradiokultur.de/
 (DIR) [6] http://www.deutschlandradiokultur.de/mehr-als-ein-mord.2522.de.html
 (DIR) [7] /Toter-Asylbewerber-in-Dresden/!5022712/
 (DIR) [8] http://breitband.deutschlandradiokultur.de/warum-wir-writers-rooms-fuer-dokuserien-brauchen/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anne Fromm
       
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