# taz.de -- Probleme bei Flüchtlings-Unterbringung: Frust im Zelt
       
       > In Hamburg-Wilhelmsburg protestieren Asylsuchende gegen schmutzige
       > Toiletten-Container und fehlende Heizungen.
       
 (IMG) Bild: Ist mit der Unterbringung in Hamburg-Wilhelmsburg unzufrieden: Naseeb Rahrouh
       
       HAMBURG taz | Seit zwei Stunden steht Naseeb Rahrouh in der Schlange vor
       den weißen Wasch-Containern. Blaue Säcke mit schmutziger Wäsche reihen sich
       auf dem matschigen Boden bis zu einem Wachmann, der heute zum
       Waschmaschinen-Dienst abgestellt wurde. Mehr als ein dutzend Männer und
       Frauen warten auf die nächste freie Maschine. Nur zwei Container sind
       geöffnet. Warum die anderen verschlossen sind, weiß niemand.
       
       „Sie sagen uns nichts, gar nichts“, beschwert sich Rahrouh. Der Syrer lebt
       in der Erstaufnahmeeinrichtung in Hamburg-Wilhelmsburg – und er protestiert
       gegen die dortigen Lebensverhältnisse. Wegen den steigenden
       Flüchtlingszahlen hatte die Innenbehörde auf dem früheren Parkplatz der
       Gartenschau innerhalb weniger Wochen ein Lager aus dem Boden gestampft.
       
       Über 1.500 Menschen leben auf dem umzäunten Gelände zwischen Fußballplatz,
       Autobahnzubringer und Transportspedition. Viele kommen aus dem Kosovo, aus
       Eritrea und Afghanistan. Die meisten Flüchtlinge stammen aus Syrien und dem
       Irak. Nur ungefähr die Hälfte der Flüchtlinge hat einen Platz in einem der
       Wohncontainer bekommen, die übrigen Menschen schlafen in Zelten, so wie
       Rahrouh.
       
       Auch vor den Toiletten-Containern stehen Menschen Schlange. „Es ist
       widerlich, einfach widerlich“, ekelt sich der 27-Jährige. Alle fünf Stunden
       würden die Toiletten gereinigt, sagt eine ehrenamtliche Helferin. Trotzdem
       ist der Boden des Sanitärcontainers mit einer Mischung aus Urin und Matsch
       bedeckt. Neben den Zelten türmen sich Müllsäcke um den längst überfüllten
       Mülleimer. Informationen darüber, wann die Flüchtlinge zur obligatorischen
       Blut- und Röntgenuntersuchung müssen oder das Lager verlassen können,
       verbreiten sich nur als Gerüchte.
       
       Der städtische Betreiber „Fördern und Wohnen“ ist für die
       Erstaufnahmeeinrichtung verantwortlich. Richtig präsent sind die
       Mitarbeiter in Wilhelmsburg nicht. Im Empfangscontainer kontrollieren zwei
       Männer die Ausweise der Flüchtlinge. Am Mittag verteilen drei Ehrenamtliche
       Essen auf Papptellern. Gelegentlich schlendern zwei Sicherheitskräfte an
       den Zelten vorbei. Mehr Betreuung scheint es für die 1.500 Menschen auf den
       ersten Blick nicht zu geben.
       
       Rahrouh habe solche Zustände in Deutschland befürchtet, sagt er. Vor seiner
       Flucht lebte er allein mit seiner Mutter im syrischen Aleppo. Als der
       Geheimdienst an seine Tür klopfte, weil sich ein Cousin der oppositionellen
       Freien Syrischen Armee angeschlossen hatte, schickte seine Mutter ihn nach
       Jordanien.
       
       Sein weiterer Weg ähnelt dem hunderttausender Syrer: Als ihm wegen illegal
       verkaufter Handys in Jordanien eine Gefängnishaft drohte, floh er weiter in
       die Türkei. Auf dem mit syrischen Billigkräften überfüllten türkischen
       Arbeitsmarkt fand er keinen Job. „Ich habe nie darüber nachgedacht, nach
       Europa zu fliehen“, sagt Rahrouh.
       
       Schließlich tat er es doch: 1.200 Euro zahlte er für das Schlauchboot über
       die Ägäis. Auf Rhodos schlief er im Straßengraben. Unter einem ungarischen
       Grenzzaun robbte er durch. An der österreichischen Grenze hatte er Glück:
       Das Auto seines Schleppers wurde nicht kontrolliert. Ein paar Tage später
       stand er am Hamburger Hauptbahnhof. Das war vor einer Woche.
       
       Nun protestiert er mit anderen Flüchtlingen gegen die Unterbringung in der
       Erstaufnahme, zuletzt bei einem Sitzstreik auf der Dratelnstraße. Gebracht
       hat es nichts. Der 30-Jährige Anas aus Damaskus sagt bitter, er könne über
       die Sicherheitskräfte im Lager nichts Negatives sagen: „Man sieht sie ja
       nie.“ Andere Flüchtlinge kritisieren die unzureichende medizinische
       Versorgung.
       
       In den Zelten gibt es weder Steckdosen noch eine Heizung oder eine Lampe.
       Nur das rote Blinken des batteriebetriebenen Rauchmelders gibt etwas Licht.
       Rahrouh teilt sich sein Zelt mit 15 anderen Flüchtlingen. Sie schlafen in
       eng zusammengestellten Doppelstock-Pritschen, 15 Männer und eine Frau. „In
       der Türkei war ich schon einmal in so einem Zeltlager, nur dort gab es
       Heizung in den Zelten“, sagt einer von Rahrouhs Bettnachbarn. Ein anderer
       ergänzt: „Wir haben immer wieder gesagt, dass es zu kalt ist, aber sie
       haben nichts getan.“
       
       Die Schlafsäcke sind dünn. Das Thermometer zeigt elf Grad. Draußen regnet
       es. Rahrouh stopft sich Klamotten in den Schlafsack. Richtig warm hält ihn
       das nicht.
       
       24 Sep 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabian Köhler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Syrische Flüchtlinge
 (DIR) Unterbringung von Geflüchteten
 (DIR) Flüchtlinge
 (DIR) Asylrecht
 (DIR) Flüchtlinge
 (DIR) Flüchtlinge
 (DIR) Migration
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kirchen-Engagement lässt Luft nach oben: Kirchen helfen zögerlich
       
       Mehrere Einrichtungen öffnen ihre Türen nachts für Flüchtlinge, doch viele
       sind weit weg vom Hauptbahnhof. Die Innenstadtkirchen bleiben dennoch
       geschlossen.
       
 (DIR) Erstunterkünfte für Flüchtlinge: Zelten bei Minusgraden
       
       Im Winter wird die Frage der Unterbringung noch drängender. Tausende
       Flüchtlinge müssen in Zelten schlafen. Alternativen sind rar.
       
 (DIR) Kritik am Umgang mit Flüchtlingen: Selbst verursachtes Chaos
       
       Führungskräfte des Heimbetreibers Fördern und Wohnen werfen dem Senat vor,
       Missstände bei der Flüchtlingsunterbringung wären vermeidbar gewesen.
       
 (DIR) Unmenschliche Zustände in Unterkünften: Das Versagen der Behörden
       
       Am Hamburger Stadtrand weigern sich Flüchtlinge, einen Baumarkt zu
       beziehen. „Die Zustände sind unmenschlich“, sagt eine syrische Frau.
       
 (DIR) TBC: Behörden überfordert: Mehr als ein Verdacht
       
       In einem Hamburger Flüchtlingsheim erkrankte ein Mitarbeiter an
       Tuberkulose. Asylbewerber werden erst nach langer Wartezeit untersucht.