# taz.de -- Flüchtlingselend in Europa: Gerettet und abgeschoben
       
       > Ein Dutzend Flüchtlinge ertrank vor der türkischen Küste, über tausend
       > wurden gerettet. Mecklenburgs Innenminister führt Nachtabschiebungen
       > wieder ein.
       
 (IMG) Bild: Eine Flüchtlingsfrau in einer Hamburger Flüchtlingsunterkunft
       
       Ankara/Wien/Calais/Schwerin ap/dpa/rtr | Vor der türkischen Küste sind zwei
       Flüchtlingsboote verunglückt und mindestens elf Insassen ertrunken. Fünf
       Menschen würden noch vermisst, berichtete die private Nachrichtenagentur
       Dogan am Mittwoch. Zunächst sei am frühen Morgen ein Boot mit 16 Insassen
       gekentert, das von Bodrum zur griechischen Insel Kos fahren wollte. Sieben
       Menschen ertranken, vier wurden gerettet, die übrigen vermisst.
       
       Wenige Stunden später sank vor Bodrum ein Boot mit sechs Flüchtlingen und
       riss eine Frau und drei Kinder mit sich in die Tiefe. Die beiden anderen
       Insassen hatten Rettungswesten an und schafften es mit letzter Kraft an die
       Küste. Die türkische Küstenwache äußerte sich zunächst nicht zu den
       Unfällen.
       
       Insgesamt rettete die griechische Küstenwache von Dienstagmorgen bis
       Mittwochmorgen 1058 Menschen.
       
       In Österreich hat die Polizei im letzten Moment eine erneute
       Flüchtlingstragödie verhindert. 24 junge Afghanen waren in einem zum
       Gefängnis umgebauten Kleinlastwagen ohne jede Frischluft zusammengepfercht,
       als sie von der Polizei befreit wurden. Es habe „akute Lebensgefahr“
       geherrscht, sagte Polizeisprecher Thomas Keiblinger. Vor gut einer Woche
       waren in einem Kühllastwagen in Österreich 71 vermutlich erstickte
       Flüchtlinge entdeckt worden.
       
       Den Fahndern war der Transporter in der Nacht zum Dienstag in der Nähe von
       Wien aufgefallen. Als die Beamten den Wagen stoppten, ergriff der
       30-jährige Fahrer trotz eines Warnschusses die Flucht. Er wurde später in
       einem Versteck von einem Polizeihund gestellt und festgenommen. Die
       Schlepper hatten Türen und Fenster des Lkw zugeschweißt und teils
       zusätzlich mit einem Schloss von außen versperrt. Die Männer im Alter von
       16 bis 20 Jahren hatten auf der nur etwa sechs Quadratmeter großen
       Ladefläche regelrecht aufeinander gesessen.
       
       ## „Nachtabschiebung“ wieder eingeführt
       
       Im Eurotunnel zwischen Frankreich und Großbritannien saßen hunderte
       Eurostar-Passagiere in der Nacht zu Mittwoch stundenlang fest, weil
       Flüchtlinge auf die Schnellzüge klettern und so durch den Tunnel unter dem
       Ärmelkanal nach Großbritannien gelangen wollten. Insgesamt seien fünf Züge
       betroffen gewesen, teilte der Zugbetreiber Eurostar per Twitter mit. Drei
       der Züge seien am frühen Mittwochmorgen nach London weitergefahren, die
       beiden anderen seien zu ihrem jeweiligen Startbahnhof in Paris und London
       zurückgekehrt.
       
       Nach der Pfefferspray-Attacke in einer Flüchtlingsunterkunft in Halbe
       (Dahme-Spreewald) mit 35 Verletzten sind die Hintergründe des Angriffs noch
       unklar. Der mutmaßliche Täter, ein 28-jähriger Bauarbeiter aus Sachsen,
       habe auf dem Gelände gearbeitet und selbst in einem als
       Flüchtlingsunterkunft genutzten Hotel gewohnt, sagte eine Polizeisprecherin
       am Mittwoch. Bei einem Drogentest sei festgestellt worden, dass der Mann
       Amphetamine und Methamphetamin genommen hatte. Außerdem wurde ein
       Blutalkoholwert von 0,25 Promille gemessen. Der Mann sollte im Laufe des
       Tages vernommen werden.
       
       Auf dem Gelände einer ehemaligen Kaserne im Ortsteil Massow sind mehr als
       300 Asylbewerber in dem Hotel und in einer ehemaligen Reha-Klinik
       untergebracht. Die heruntergekommenen Gebäude stehen abgelegen in einem
       Wald. Der 28-Jährige sei am Dienstagabend in beiden Häusern durch die Flure
       gerannt und habe das Reizgas versprüht, sagte die Sprecherin. 35
       Asylbewerber mussten mit Augenreizungen und Atembeschwerden behandelt
       werden.
       
       Mecklenburg-Vorpommern will die Abschieberegelungen für abgelehnte
       Asylbewerber verschärfen. So sollen künftig auch Abschiebungen bei Nacht
       und ohne vorherige Ankündigung möglich sein. Wie die Schweriner
       Volkszeitung berichtet, hob Innenminister Lorenz Caffier (CDU) dafür einen
       seit über 20 Jahren geltenden Erlass auf.
       
       Der sogenannte „Nachtabschiebeerlass“ von 1994 besagte, dass Abschiebungen
       nur in Ausnahmefällen zwischen 21.00 und 6.00 Uhr erfolgen und dann den
       Betroffenen auch vorher anzukündigen sind. Das soll nun nicht mehr der Fall
       sein. 40 bis 45 Prozent der Flüchtlinge im Land hätten kein Anrecht auf
       Asyl. „Bei entschiedenen Verfahren müssen diese Menschen auch zurückgeführt
       werden“, sagte Caffier. Viele würden aber vorher untertauchen.
       
       2 Sep 2015
       
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