# taz.de -- Herausforderung fürs Bildungssystem: Schülerboom durch Flüchtlinge
       
       > 30.000 Flüchtlinge heißt auch mehr Flüchtlingskinder in Hamburgs Schulen.
       > Die SchülerInnenzahl wächst zum neuen Schuljahr so stark wie nie.
       
 (IMG) Bild: Deutsch lernen: nicht nur für Bildungssenator Ties Rabe (SPD) das Fundament jeder Integration.
       
       HAMBURG taz | Flüchtlinge bescheren Hamburg einen SchülerInnen-Boom – und
       damit neue Herausforderungen im Bildungssystem. Denn dass die Zahl der
       Kinder und Jugendlichen an den allgemeinbildenden Schulen mit dem morgigen
       Beginn des neuen Schuljahrs von bislang 168.590 auf 172.540 klettert, liegt
       zu drei Vierteln an zugewanderten Familien. Denn etwa 3.000 der zusätzlich
       im Schulsystem unterzubringenden 3.950 Kinder stammen aus
       Flüchtlingsfamilien.
       
       Dazu kommen noch 1.650 geflüchtete Jugendliche zwischen 16 und etwa 20, die
       in Zukunft eine der 105 Integrationsklassen an den beruflichen Schulen
       besuchen und so dafür sorgen, dass die Zahl der BerufsschülerInnen nicht
       weiter abnimmt, sondern steigt. Diese Zahlen, die den größten
       SchülerInnenzuwachs seit Beginn der Aufzeichnungen 1977 markieren, nannte
       Schulsenator Ties Rabe (SPD) am Dienstag.
       
       Damit setze sich – mit erhöhtem Tempo – nur ein Trend fort. Denn schon der
       moderate SchülerInnenzuwachs der vergangenen Jahre sei, so Rabe, auf
       Zuwanderung zurückzuführen – und zwar nicht aus „Rellingen, Pinneberg oder
       Elmshorn“.
       
       Rund 2.400 Flüchtlingskinder kommen allein in 168 speziell dafür
       eingerichtete „internationale Vorbereitungsklassen“, Sie wurden vor allem
       an Grund- und Stadtteilschulen, eingerichtet, die die größte „Last“ tragen.
       „Manche Schulen haben schon bis zu sechs zusätzliche Flüchtlingsklassen“,
       verriet Rabe, betonte aber zugleich, dass inzwischen auch an immerhin 11
       der 60 Hamburger Gymnasien Vorbereitungsklassen etabliert wurden. Hier
       heißt es vor allem Deutsch pauken, um fit für den Unterricht zu werden.
       
       Flüchtlinge im gerade schulpflichtigen Alter werden sogar gleich in den
       Regelklassen der Grundschulen untergebracht, bekommen aber zusätzliche
       Sprachförderung. „Die direkte Beschulung funktioniert in diesen
       Altersgruppen“, sagt Rabe (SPD). Kinder in diesem Alter seien sehr
       aufnahmefähig und die Deutschkenntnisse von SchulanfängerInnen sowieso so
       extrem unterschiedlich, dass begleitende Sprachförderung, deren Kapazität
       für die Flüchtlingskinder massiv aufgestockt werden soll, ohnehin für viele
       Kinder notwendig sei.
       
       Hinzu kommen noch einmal 600 Kinder, die in der Erstaufnahme in 50
       verschiedenen Lerngruppen unterrichtet werden. Auch sie lernen
       hauptsächlich Deutsch. „Anders als andere Länder wollen wir nicht mit der
       Beschulung warten, bis die Familien nach etwa drei Monaten in der
       Folgeunterbringung sind“, sieht Rabe Hamburg bundesweit vorn: „Spätestens
       vier Wochen nach der Ankunft soll der Unterricht beginnen.“
       
       Insgesamt gäbe es, so Rabe, viele „positive Erfahrungen“ mit der
       Integration von Flüchtlingskindern ins Schulsystem: „Viele von ihnen haben
       einen energischen Aufstiegswillen und lernen mit großem Eifer.“ Umsonst ist
       das nicht zu haben: 300 bis 400 Lehrkräfte, vor allem für den
       Sprachunterricht, werden an den Schulen zusätzlich gebraucht. Nicht alle
       aber müssen neu eingestellt werden: In den Berufsschulen sind durch den
       Rückgang der SchülerInnenzahlen Lehrkräfte frei geworden. Trotzdem dürfte
       der zusätzliche Finanzbedarf nach ersten Schätzungen zwischen 15 und 20
       Millionen Euro pro Jahr liegen.
       
       Längst nicht so positiv wie Rabe sieht die Fraktionschefin der Linken
       Sabine Boeddinghaus die Lage an Hamburgs Schulen. Sie vermisst bei der
       „Beschulung von Flüchtlingen ein Konzept, ausreichende Ressourcen und
       entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen“. Zudem habe ihre Fraktion aus den
       internationalen Vorbereitungsklassen gehört, „dass sie sich mit dieser
       großen Aufgabe oft allein gelassen fühlen und sich mehr Unterstützung
       wünschen“.
       
       25 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Carini
       
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