# taz.de -- Die Wahrheit: Frankensteins Grab
       
       > Über den Unterschied zwischen Yeats und Yates, den Papst in Irland – oder
       > eben nicht –, seinen Nebenjob und ein Knochenpuzzle.
       
       Der Bischof hat sich seit 1879 nicht mehr in seiner Diözese blicken lassen.
       Dabei hat Kilfenora in der westirischen Grafschaft Clare einiges zu bieten:
       das Interpretationszentrum für den Burren, jene beeindruckende
       Karstlandschaft; eine Kathedrale aus dem 12. Jahrhundert; fünf keltische
       Hochkreuze; und schließlich Irlands älteste Céilí Band, eine traditionelle
       Tanzkapelle.
       
       Aber der Bischof ist anderweitig beschäftigt. Er lebt in Rom und arbeitet
       dort als Papst. Seit Bischof Fallon 1879 starb, untersteht Kilfenora als
       einzige Diözese Irlands direkt dem Papst. Sheila, die junge Studentin aus
       den USA, die im Rahmen eines Austauschprogramms in Galway Theologie
       studiert, ist beeindruckt. „Ein mystischer Ort“, sagt sie. „Ich liebe
       Mystik.“ Deshalb sei sie vor ein paar Tagen in Drumcliffe in der Grafschaft
       Sligo am Grab von William Butler Yeats gewesen: „Es war fast, als ob er zu
       mir gesprochen hat.“
       
       Ob er Französisch geredet habe, frage ich. „Nein, ich glaube es war
       Irisch“, meint Sheila. Ich zerstöre ungern mystische Erfahrungen, sage ich,
       aber Yeats habe dreizehn vergebliche Versuche unternommen, Irisch zu
       lernen, auch wenn er als Mitbegründer des Celtic Revival und als
       Nationaldichter gelte. In diesem Jahr feiern irische Gemeinden auf der
       ganzen Welt seinen 150. Geburtstag. In mehr als vierzig Ländern finden
       Konzerte, Lesungen und Festivals zu seinen Ehren statt. Der Münchner
       Hörverlag hat eine Doppel-CD mit Gedichten von Yeats veröffentlicht, darauf
       O-Töne des Verfassers aus dem Jahr 1931.
       
       Ein Lothar Müller rezensierte das Hörbuch im Frühjahr in der Süddeutschen
       Zeitung. „Es macht nichts, wenn Yeats sich an dieser Stelle verspricht“,
       schrieb er gönnerhaft, „den Bruder und den Cousin verwechselt.“ Es macht
       aber wohl etwas, wenn Müller immer wieder Yeats mit Yates verwechselt.
       Yates war ein US-amerikanischer Schriftsteller, der 1926 in New York
       geboren wurde – drei Jahre nachdem Yeats den Literaturnobelpreis erhalten
       hatte. Wie peinlich, wenn man nicht mal den Protagonisten einer Rezension
       buchstabieren kann.
       
       Ich bin noch nicht fertig damit, Sheila den Tag zu verderben. „Yeats liegt
       gar nicht in dem Grab“, erzähle ich. Man habe das lange vermutet, aber nun
       herrsche Gewissheit. Yeats starb 1939 in Roquebrune an der französischen
       Riviera. Er wollte dort begraben, aber nach einem Jahr wieder ausgebuddelt
       und nach Irland umgesiedelt werden. Der Zweite Weltkrieg verhinderte das
       zunächst. Erst 1948 kam man seinem Wunsch nach, stellte jedoch fest, dass
       seine Überreste mit den Gebeinen anderer Leute vermischt worden waren. Die
       jetzt veröffentlichten Briefe bestätigen, dass man damals ein Skelett aus
       mehreren Personen zusammengestellt und nach Irland geschickt habe. Yeats’
       Familie akzeptierte das frankensteinsche Arrangement, und so wurde das Grab
       in Drumcliffe zum Pilgerort.
       
       Sheila macht ein enttäuschtes Gesicht. Um sie ein wenig aufzumuntern,
       erzähle ich ihr, dass der Bischof von Kilfenora seine Diözese nächste Woche
       inkognito besuchen wolle.
       
       24 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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