# taz.de -- Briefe des Philosophen Blaise Pascal: „Was ist das Ich?“
       
       > Blaise Pascal war nicht nur ein mathematisches Wunderkind, sondern auch
       > Philosoph. Seine Briefe gibt es jetzt auf Deutsch.
       
 (IMG) Bild: Glücksspiel: Wie wahrscheinlich ist es es, den großen Gewinn abzusahnen?
       
       Mit 16 Jahren stellte er einen Lehrsatz zu Kegelschnitten auf, der auf
       seinen Namen hört und ihn berühmt machte. Drei Jahre später erfand er die
       erste Rechenmaschine und legte damit ein Fundament für die heutigen
       Computer. Über Berechnungen zu Gewinnchancen bei Glücksspielen wurde er zum
       Begründer der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Blaise Pascal war ein
       mathematisches Wunderkind, in seinen aphoristischen „Pensées“ behandelte er
       zugleich philosophische Fragen wie „Was ist das Ich?“
       
       Für den französischen Denker des 17. Jahrhunderts waren aber auch Fragen
       der Theologie von größter Wichtigkeit. Von dieser Einheit von Rationalität
       und Spiritualität kann man eine Ahnung bekommen, wenn man die private
       Korrespondenz Pascals liest, die jetzt auf Deutsch erschienen ist und die
       den Auftakt zu einer vierbändigen Ausgabe seiner Briefe macht. Übersetzt
       wurden sie vom Pascal-Kenner Ulrich Kunzmann.
       
       Briefe erfüllten bei Pascal nicht nur verschiedene Zwecke, sie nahmen auch
       unterschiedliche literarische Formen an. Berühmtestes Beispiel sind seine
       unter Pseudonym veröffentlichten „Briefe in die Provinz“, als Band 3 der
       Ausgabe geplant, in denen er in allgemeinverständlicher Form über
       theologische Fragen debattierte.
       
       In seinen privaten Briefen zeigt sich Pascal als Anteil nehmender Bruder,
       der sich um die Gesundheit seiner Geschwister sorgt. Vor allem aber lernt
       man ihn als strengen katholischen Denker kennen, der seiner Schwester
       Jacqueline bei ihrem Vorhaben, ins Kloster einzutreten, mit geistlichem Rat
       zur Seite steht. Nach dem Tod ihres Vaters, als die Schwester ihr Vorhaben
       in die Tat umsetzt, ändert er aber seine Meinung, aus Angst, sie zu
       verlieren.
       
       Lesen sich seine Briefe an Jacqueline noch wie kleine theologische
       Erörterungen, so ist der Brief, den er nach dem Tod des Vaters an die
       Familie seiner Schwester Gilberte schreibt, ein veritables theologisches
       Traktat.
       
       ## Durch den Tod wird der Mensch von der Sünde befreit
       
       Die Familie Pascal hatte sich zum ketzerischen Jansenismus bekannt, und
       besonders Blaise Pascals Frömmigkeit ist von einer heftigen
       Körperfeindlichkeit gekennzeichnet, für die er in diesem Text deutliche
       Worte findet.
       
       Vom Leben als „Opfer“ ist die Rede und vom Tod als einer notwendigen
       Strafe. Durch den Tod soll der Mensch von der Sünde befreit und von der
       „Begier der Glieder“ erlöst werden. Pascals Leben war schon früh von
       starker Krankheit bestimmt gewesen, was das Verhältnis zum eigenen Leib und
       zum Körper im Allgemeinen kaum begünstigt haben dürfte.
       
       Diese „erdfeindliche“ Haltung Pascals in Glaubensdingen vertrug sich bei
       ihm bestens mit seinen übrigen geistigen Aktivitäten. Ein anschauliches
       Beispiel für seinen Umgang mit der weltlichen Macht ist sein Brief an die
       Königin Kristina von Schweden von 1652, in dem er ihr die von ihm
       entwickelte Rechenmaschine zum Geschenk darbietet und seine Bewunderung für
       die Regentin zum Ausdruck bringt.
       
       Kristina von Schweden war philosophisch und wissenschaftlich gebildet, und
       Pascal bekennt ihr gegenüber: „Ich empfinde eine ganz besondere Verehrung
       für jene, die zur höchsten Stufe der Macht oder der Erkenntnis aufgestiegen
       sind.“ Im Falle der Königin liege beides vor. Pascal lässt dabei ebenfalls
       durchblicken, dass ihm das Reich des Geistes von höherer Ordnung zu sein
       scheine als das der Körper – und damit der weltlichen Macht.
       
       Der Kontrast zwischen Pascals theologischer und nichttheologischer
       geistiger Tätigkeit erzeugt beim Lesen – neben kräftigem Stirnrunzeln –
       eine produktive Spannung: Dass Erkenntnis und Glaube für Pascal zu
       vereinbaren waren und friedlich nebeneinander existierten, ist eine
       Einsicht, die aktuell durchaus fruchtbar sein könnte. Irrlehren wie der
       Kreationismus wirken dagegen wie eine plumpe intellektuelle Regression.
       
       17 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tim Caspar Boehme
       
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