# taz.de -- Springer und seine Online-Start-ups: Digital-Babos
       
       > Eigene Apps, Besuche in Silicon Valley und die Förderung des
       > Online-Kiosks „Blendle“. Springer setzt weiter auf seine
       > Digitalstrategie. Was bringt‘s?
       
 (IMG) Bild: Er hält sich schon für einen. Digital-Babo Kai Diekmann.
       
       Es ist nicht wirklich sicher überliefert, aber: Gut möglich, dass sie im
       Axel-Springer-Hochhaus seit Tagen fleißig in Champagner baden. Jedenfalls
       hätten die Manager dieses Gemischtwarenladens, der den Begriff „Verlag“
       schon vor einer Weile konsequent aus seinem Firmennamen gestrichen hat,
       tatsächlich allen Grund dazu.
       
       Vor ein paar Tagen erst hat der Konzern die Fitness-App Runtastic an Adidas
       verkauft – für 220 Millionen Euro, exakt das Zehnfache dessen, was Springer
       einst für das Miniprogramm samt den Trainingsdaten von Millionen Sportfans
       hingeblättert hatte. Ja, das war ein Coup.
       
       Seine Regionalzeitungen hat Springer abgetreten, das Geschäft mit Apps und
       Onlinediensten ist der neue heiße Scheiß, das Mantra von Springer-Boss
       Mathias Döpfner: „Digitales Wachstum“ müsse her. Tatsächlich versuchen
       gerade alle großen Medienhäuser, irgendwie Teil der faszinierenden Welt zu
       werden.
       
       Entweder, indem sie selbst welche auf den Markt werfen. Wer das nötige
       Kleingeld dafür rumliegen hat, bietet sich aber auch gern als Finanzier an,
       versucht als „Accelerator“ – plump übersetzt also als Beschleuniger –
       Menschen mit Ideen beizuspringen, gegen eine Erfolgsbeteiligung versteht
       sich.
       
       ## Zahnbehandlungen und Schuhe
       
       Dabei ist nicht erst seit dem spektakulären Runtastic-Deal klar:
       Hierzulande macht das kein Medienhaus so konsequent wie Springer. Der
       Konzern schleust seine Manager schon seit Jahren durchs Silicon Valley –
       und weil sich das abnutzt und man sich gern als Trendsetter gibt, schauen
       sich erste Leute auch in Südkorea um.
       
       Dazu kommt Plug and Play, Springers Haus-Accelerator. Springer setzt dabei
       praktisch auf alles, von einer Plattform, auf der Internetnutzer vor einer
       Zahnbehandlung entsprechende Angebote vergleichen können, bis zu
       Programmen, mit denen Modefans schnell neue Schuhe in der passenden Größe
       finden.
       
       Während die Start-up-Förderung für den Konzern bereits ein etabliertes
       Geschäft ist, hat Döpfner auch schon die nächste Stufe für den App-Wahnsinn
       gezündet. Statt erneut den heiklen Versuch zu unternehmen, mit
       ProSiebenSat.1 zu fusionieren, kooperiert er mit den Münchnern auf exakt
       einem Feld: der Start-up-Förderung.
       
       ProSiebenSat.1 hat immerhin Zalando – *kreisch* – großgemacht. Ohnehin sind
       Medienhäuser perfekte Förderer: Sie können ihren Wunschprojekten großzügig
       Werbeplätze frei räumen, ob nun zwischen zwei Wiederholungen der „Simpsons“
       oder zwischen zwei fetten Schlagzeilen in Bild.
       
       Keine Frage: Wenn Springer und ProSiebenSat.1 nun paktieren, sind sie die
       neuen Babos der Szene.
       
       ## „Energie der Start-ups zunutze machen“
       
       Zumindest auf kleinerer Flamme spielen aber auch andere mit. In Hamburg
       zieht derzeit etwa Meinolf Ellers in einer besonderen Konstellation den
       „Next Media Accelerator“ auf. Ellers selbst ist der Digitalmann der
       Nachrichtenagentur dpa. Er hat insgesamt zehn „mediennahe Investoren“ dazu
       gebracht, in die Start-up-Suche zu investieren. Wen genau, verrät Ellers
       noch nicht, aber: Er ist bereits mit ein paar Leuten im Hamburger Betahaus
       eingezogen und hält dort Räume für die ersten Projekte frei.
       
       Ellers spricht von dem Versuch der traditionellen Medienhäuser, sich „die
       Energie der Start-ups ein bisschen zunutze zu machen“. Konkret soll das so
       ablaufen: Start-ups, die irgendwie etwas mit Medien zu tun haben und den
       Beteiligten gefallen, bekommen Geld, ein paar Schreibtische und Berater aus
       der Szene.
       
       Damit sollen sie die ersten Monate über die Runden kommen und mit ihrer
       Idee an den Start gehen. Läuft das Geschäft, bekommen die Verlage etwas vom
       Gewinn ab. Steckt der Accelerator beispielsweise 50.000 Euro in ein
       Start-up, dann gehört ihm ein Zehntel der jungen Unternehmung.
       
       „Für uns gibt es eine doppelte Motivation“, sagt Ellers. Natürlich wäre es
       einerseits „wunderbar“, wenn er mit seiner Truppe das nächste große Ding
       großmache – ein Instagram aus Deutschland zum Beispiel. „Die
       Wahrscheinlichkeit, dass das gelingt, ist jetzt überschaubar“, weiß Ellers
       allerdings auch.
       
       ## Echte Wagnisse eingehen?
       
       „Mindestens genauso wichtig“ sei aber, dass die beteiligten Medienhäuser
       ihre Leute vorbeischicken könnten, damit die Tüftler der traditionellen
       Konzerne mit den jungen Wilden zusammenarbeiten könnten. Mit der Förderung
       kaufen sich die Etablierten also auch einen Zugang zum digitalen Neuland.
       
       Die Medienhäuser versuchen sich aber zunehmend auch darin, selbst kleine
       Projekte und eigene Apps auf den Markt zu werfen. Der Verlag Gruner + Jahr
       etwa hat in diesem Frühjahr eine App namens „Finderzimmer“ gestartet. Auf
       dieser digitalen Plattform können Eltern die Klamotten verkaufen, aus denen
       ihre Kinder herausgewachsen sind – ein Lebenshelfer, kein Journalismus,
       aber zumindest ein passendes Produkt für LeserInnen des hauseigenen
       Magazins Eltern.
       
       Bei Gruner + Jahr heißt es, der Verlag habe bereits Hunderte Start-ups und
       App-Ideen begutachtet. Das Großziehen opulenterer Start-ups und damit das
       Eingehen echter Wagnisse lag zuletzt indes beim Mutterkonzern Bertelsmann.
       Der musste wiederum erleben, wie riskant diese Unternehmungen sein können.
       Seine Förderbude Start-up-Bevation hat Bertelsmann jedenfalls bereits im
       vergangenen Jahr wieder dichtgemacht.
       
       ## Der Digitalkiosk „Blendle“
       
       Im digitalen Gemischtwarenladen Axel Springer blicken sie unterdessen
       derzeit vor allem auf ein Projekt: den Digitalkiosk „Blendle“. Der hat
       zunächst in den Niederlanden Hunderttausende NutzerInnen dazu gebracht,
       Texte aus Zeitungen und Magazinen zu lesen – indem sie nicht ganze
       Ausgaben, sondern einzelne Artikel kaufen und die journalistischen Häppchen
       sogar zurückgeben können, wenn sie ihnen nicht gefallen.
       
       Springer ist – zusammen mit der New York Times – bei „Blendle“
       eingestiegen. Jürgen Hopfgartner, der sich im Berliner Konzern um solche
       Beteiligungen kümmert, spricht von einer „großartigen Idee, weil es eine
       aus Nutzerperspektive sehr, sehr einfache Bezahlmöglichkeit für
       journalistische Inhalte bietet“. Tatsächlich schafft das Start-up
       „Blendle“, was den behäbigen Verlagen hierzulande über Jahre nicht gelungen
       ist: eine gemeinsame Plattform zu installieren, die noch dazu bei Nutzern
       ankommt.
       
       Bei Springer hoffen sie, dass der Erfolg eine Fortsetzung auch jenseits der
       kompakten Niederlanden findet. Das Modell sei „gut für die deutsche
       Verlagslandschaft“, sagt der Springer-Manager. „In Holland, in Deutschland,
       hoffentlich in Europa, hoffentlich weltweit.“
       
       Das passt zu einem Motto der Start-up-Szene: Think big – denke groß.
       
       15 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bouhs
       
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