# taz.de -- UN-Konferenz zu Entwicklungshilfe: Arm finanziert Reich
       
       > Aus den Entwicklungsländern fließt doppelt soviel Geld in die
       > Industriestaaten wie umgekehrt. Das besagt nun erstmals eine Studie.
       
 (IMG) Bild: Fast doppelt soviel Geld fließt vom Süden nach Norden wie umgekehrt
       
       Berlin taz | Die „Entwicklungshilfe“, über die unter anderem auf der
       [1][UN-Konferenz in Addis Abeba gestritten] wurde, steht auf dem Kopf:
       Weltweit fließt etwa doppelt so viel Geld aus den Entwicklungsländern in
       die Industrienationen wie die armen Staaten aus der klassischen
       „Nord-Süd-Entwicklungshilfe“ bekommen. Seit der Finanzkrise 2008 „verlieren
       die Entwicklungsländer mehr als zwei Dollar für jeden Dollar, den sie
       bekommen“, ist das Fazit einer Studie der Entwicklungsorganisation
       „European Network on Debt and Development“ (Eurodad), die offizielle
       Quellen ausgewertet hat.
       
       [2][Die Studie „The State of Finance for Developing Countries 2014“] sieht
       für das Jahr 2012 etwa zwei Billionen US-Dollar, die legal und illegal aus
       den Ländern des Südens nach Norden transferiert wurden – während aus den
       Industriestaaten etwa eine Billion in den Süden überwiesen wurde. Als
       „Entwicklungsländer“ gelten nach Weltbank-Definition Staaten, in denen das
       Jahreseinkommen pro Kopf unter 12.615 Dollar liegt.
       
       Die klassische „Entwicklungshilfe“ aus Steuergeldern macht bei den
       Kapitalflüssen nur einen kleinen Teil, nämlich 90 Milliarden aus; etwa 30
       Milliarden kommen zusätzlich von privaten Spendern. Fast 500 Milliarden
       fließen als Direktinvestitionen, die Firmen in den Entwicklungsländern
       anlegen. Und etwa 350 Milliarden Dollar senden Migranten aus den
       Industriestaaten an ihre Familien in Afrika, Asien und Lateinamerika.
       
       In der anderen Richtung bluten vor allem „illegale Finanzströme“ die armen
       Länder aus: Über 630 Milliarden Dollar Schwarzgeld, etwa aus Drogen- oder
       anderen Schmuggelgeschäften, überwiesen 2012 nach diesen Schätzungen
       Kriminelle aus dem Süden in den Norden. Fast 500 Milliarden an Profiten
       transferierten multinationale Firmen legal an ihre Aktionäre im Norden.
       Über die Verluste von Entwicklungsländern aus Steuerhinterziehung gibt es
       keine Angaben.
       
       Fast eine Billion Dollar verlieren die Süd-Länder, weil sie Zinsen für
       Schulden zahlen, ihr Geld in Staatsanleihen des Nordens anlegen oder neue
       Schulden aufnehmen. Insgesamt machen diese Abflüsse etwa zehn Prozent der
       Wirtschaftskraft aller Entwicklungsländer aus. „Von 100 Dollar, die im Land
       erwirtschaftet werden, gehen 10 verloren“, heißt es.
       
       ## Die Ärmsten bekommen wenig
       
       Die Brüsseler NGO Eurodad hat für diese Studie zum ersten Mal nicht nur die
       Finanzflüsse von Nord nach Süd, sondern auch umgekehrt aufgelistet. Die
       Experten haben nach eigenen Angaben die offiziellen Daten von Weltbank,
       OECD und Unctad genutzt und in Einzelfällen auf Statistiken der NGO „Global
       Financial Integrity“ zurückgegriffen. „Unsere Schätzungen sind
       konservativ“, sagt Eurodad-Direktor Jesse Griffiths gegenüber der taz.
       „Manche Länder tauchen in der Statistik nicht auf, weil es keine Daten
       gibt. Bei illegalen Geschäften ist es naturgemäß schwer, verlässliche
       Zahlen zu finden.“
       
       Für Niels Keijzer vom „Deutschen Institut für Entwicklungspolitik“ (DIE)
       sind die Daten des Eurodad-Berichts „grundsätzlich verlässlich“. Andere
       Angaben werden etwa auch durch den „europäischen Bericht zur Entwicklung“
       aus der EU-Kommission bestätigt: Etwa der Trend, dass manche
       Entwicklungsländer inzwischen deutlich mehr eigenes Geld zur Verfügung
       haben als noch vor Jahren.
       
       Die wirtschaftliche Aufholjagd hat vor allem in wirtschaftlich
       erfolgreichen Ländern wie China, Indien oder Brasilien inzwischen für viel
       privates und öffentliches Kapital gesorgt – insgesamt wurden 2012 über 7
       Billionen Dollar aus heimischen Kapital in diesen Ländern investiert, die
       Finanzminister nahmen mehr als 4 Billionen Steuern ein.
       
       Doch ein genauer Blick in die Zahlen verrät auch: Bei den Ärmsten kommt
       dieser Fortschritt kaum an. Der Bericht unterteilt die Entwicklungsländer
       nach Weltbank-Kriterien in Staaten mit niedrigem (unter 1.035 Dollar),
       mittlerem (1.036 bis 4.085 Dollar) und hohem Einkommen (4.086 bis 12.615
       Dollar) pro Kopf und Jahr. Während die reicheren Entwicklungsländer pro
       Kopf statistisch etwa 2.700 Dollar in Schulen und Straßen investieren
       konnten, waren das bei den Ärmsten nur 165 Dollar im Jahr. Ein Fünftel der
       gesamten Wirtschaftsleistung kam in den ärmsten Ländern von außen – vor
       allem über Entwicklungshilfe und Überweisungen von Migranten.
       
       In allen Kategorien der Entwicklungsländer nimmt auch die Verschuldung
       wieder zu. Die Verantwortung dafür treffe auch die Industrieländer, heißt
       es im Bericht, denn die armen Staaten „hätten sich nicht so viel Geld
       leihen müssen, wenn die reichen Länder ihre versprochene Hilfe geliefert
       hätten.“ Zudem gebe es weiterhin kein unabhängiges System, um
       überschuldeten Staaten zu helfen – auch einer der umstrittenen Punkte bei
       der UN-Konferenz in Addis Adeba.
       
       17 Jul 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Entwicklungskonferenz-in-Addis-Abeba/!5211984/
 (DIR) [2] http://www.eurodad.org/Entries/view/1546315/2014/12/15/The-State-of-Finance-for-Developing-Countries-2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
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