# taz.de -- Hamburger AfD-Chef kritisiert Bundespartei: „Meine Schmerzgrenze ist überschritten“
       
       > Jörn Kruse, Landes- und Fraktionschef der AfD in Hamburg, über Fehler der
       > neuen Bundesparteispitze, seinen „irrelevanten“ Hamburger Stellvertreter
       > Dirk Nockemann – und die Gründe für seinen Verbleib in Partei.
       
 (IMG) Bild: Hat den Kanal voll: Hamburgs AfD-Partei- und Fraktionschef Jörn Kruse kündigt gegenüber der taz persönliche Konsequenzen an – vermutlich seinen Rücktritt
       
       taz: Herr Kruse, auf dem Bundesparteitag der AfD hat sich am vergangenen
       Wochenende der nationalkonservative Flügel durchgesetzt. Wie bewerten Sie
       die dortigen Ergebnisse? 
       
       Jörn Kruse: Ich bewerte sie als Katastrophe, weil sie deutlich machen, dass
       wir inzwischen zu einer rechten Partei geworden sind und vermutlich auch
       immer mehr werden. Das ist natürlich nicht meine Richtung.
       
       Auf welchen Politikfeldern erwarten sie einen weiteren Rechtsruck? 
       
       Das gilt für Themen wie Zuwanderung, den Islamismus, die Kriminalität oder
       Gender Mainstreaming, bei denen man sehr sorgfältig argumentieren muss.
       Viele, die auf dem Bundesparteitag die Mehrheit gestellt haben, sind da
       sehr, sehr populistisch unterwegs und sagen Dinge, die ich niemals
       akzeptieren könnte.
       
       Dirk Nockemann, Ihr stellvertretender Fraktionschef hier in Hamburg,
       erwartet klare programmatische Aussagen vom neuen Bundesvorstand, zu denen
       sich jedes Parteimitglied bekennen sollte. 
       
       Also zunächst ist es einmal so, dass Herr Nockemann irrelevant ist. Ich
       habe am Hamburger Wahlprogramm mitgewirkt und war in der
       Bundesprogrammkommission – aus der ich am gestrigen Dienstag zurückgetreten
       bin. Und ich werde meine Meinung nicht ändern, nur weil der Bundesvorstand
       glaubt, etwas anderes beschließen zu sollen.
       
       Herr Nockemann bezeichnet die Behauptung, die AfD rücke nach rechts, als
       „Märchen“. Sind Sie ein Märchenerzähler, Herr Kruse? 
       
       Herr Nockemann sagt das, weil es ihm natürlich unangenehm wäre, wenn die
       AFD als eine nach rechts rückende Partei bezeichnet wird. Aber das ist
       Quatsch. Die Partei hat ihren Charakter komplett verändert. Herr Nockemann
       weiß natürlich genau, dass die Partei nach rechts rückt – und zwar sehr
       stark.
       
       Also erzählt Herr Nockemann die Märchen? 
       
       Ich habe nicht von Märchen gesprochen, sondern nur gesagt: Herr Nockemann
       erzählt aus Eigeninteresse etwas anderes, als es der Realität entspricht.
       
       Solche unterschiedlichen Stellungnahmen zeigen, dass der Riss innerhalb der
       Hamburger AfD kaum noch zu kitten sein dürfte – speziell zwischen Ihnen und
       Herrn Nockemann. 
       
       Das ist so. Ich will diesen Riss nicht kleinreden, den gibt es einfach.
       Dieser Konflikt muss in den kommenden Wochen gelöst werden, und er wird
       gelöst.
       
       Obwohl Sie einen Rechtsruck befürchten, wollen Sie selbst die Partei nicht
       verlassen – „um die Fraktion zu schützen“, haben Sie gesagt. Was meinen sie
       damit? 
       
       Die Fraktion liegt mir sehr am Herzen, weil sie gute Realpolitik macht. Sie
       würde eher destabilisiert werden, wenn ich oder weitere Mitstreiter aus der
       AfD austräten und deshalb bleiben wir.
       
       Sie sind als Landesvorsitzender auch automatisch erster Hamburger
       Repräsentant einer Rechtspartei – warum tun Sie sich das an? Und wo ist
       Ihre persönliche Grenze? 
       
       Die persönliche Grenze ist schon überschritten. Was ich konkret tun werde,
       wird vermutlich noch diese Woche öffentlich werden. Deshalb kann ich ihnen
       das zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genauer sagen.
       
       Aber Sie behalten sich weitere persönliche Schritte vor? 
       
       Ganz selbstverständlich. Das mache ich schon aus Selbstschutz.
       
       Sie haben ins Gespräch gebracht, die Bürgerschaftsabgeordneten könnten auch
       geschlossen aus der AfD austreten, aber als Fraktion zusammenbleiben. Wie
       realistisch ist so eine Möglichkeit? 
       
       Das ist eine theoretische Möglichkeit. Es ist rechtlich nicht zwingend,
       dass die Fraktionsmitglieder Parteimitglieder sein müssen. Das ist aber
       keine Option, die ich für mich persönlich anstrebe.
       
       Man hat den Eindruck, dass weite Teile der AfD den Personal- und
       Richtungswechsel auf Bundesebene begrüßen. Stimmt das? Wie isoliert sind
       Sie mit Ihrer Position in Ihrer eigenen Fraktion? 
       
       Dieser Eindruck ist falsch. Es gibt nur zwei von acht Fraktionsmitgliedern,
       die den Richtungswechsel begrüßen. Die anderen sechs nicht.
       
       Herr Kruse, eine Prognose, bitte: Gibt es in einem halben Jahr noch eine
       achtköpfige AfD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft unter Ihrem
       Vorsitz? 
       
       Ja.
       
       Eine Spaltung der Fraktion schließen Sie also derzeit aus? 
       
       Auch hier: ein klares Ja.
       
       7 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Carini
       
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