# taz.de -- Urteil gegen Prügel-Polizisten: Recht gilt auch für Polizisten
       
       > Weil er einen arglosen Passanten brutal zusammengeschlagen hat,
       > verurteilt das Bremer Amtsgericht einen Zivilpolizisten zu 15 Monaten auf
       > Bewährung.
       
 (IMG) Bild: Die computertomografische Aufnahme von Gesichtsfrakturen, wie V. de O. sie bei der Polizeikontrolle erlitt.
       
       BREMEN taz | Zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten hat
       das Bremer Amtsgericht gestern den Polizeikommissar Marcel B. wegen
       Körperverletzung im Amt verurteilt. Zudem muss er seinem Opfer, dem in der
       frühen Dämmerung des 21. Mai 2013 zusammengeschlagenen Brasilianer V. de O.
       Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 Euro überweisen.
       
       Die Freiheitsstrafe wird zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, hat aber
       erhebliche Folgen für den Täter: „Es ist klar, dass diese Strafe zwingend
       zur Entlassung aus dem Dienst führt“, erläuterte der Vorsitzende Hans
       Ahlers sein Urteil. Das könne aber „kein Grund sein, sie nicht zu
       verhängen“. Sie sei im vorliegenden Fall angemessen.
       
       „Ich sitze hier jetzt seit 20 Jahren“, gewichtete der Richter. Angesichts
       der im Rahmen der Erstversorgung angefertigten Foto-Dokumentation des
       Opfers, des heute 56-jährigen V. de O., gehe es ihm aber genau wie einem
       der als Zeugen gehörten Rettungssanitäter: „Solche Verletzungen nach einem
       Polizeieinsatz habe auch ich noch nie gesehen.“ Der Brasilianer hatte,
       nachdem er unweit seiner Wohnung in Bremen Walle in der frühen Dämmerung
       des 21. Mai 2013 dem bis heute im Außendienst tätigen Zivilpolizisten
       begegnet war, wochenlang stationär im Krankenhaus behandelt werden müssen.
       
       ## Massive stumpfe Gewalt
       
       Außer eines bis heute mit heftigen Angstattacken nachwirkenden psychischen
       Traumas hatte er eine Blow-out-Fraktur des linken Augenhöhlenbodens davon
       getragen, eine Jochbeinfraktur sowie eine Kieferhöhlenfraktur mit
       Einblutungen ([1][taz berichtete)]. Das seien Folgen „ganz massiver
       stumpfer Gewalt“, hatte der langjährige Direktor der Kieler Rechtmedizin
       Hans Jürgen Kaatsch als Sachverständiger am zweiten Prozesstag vergangene
       Woche erläutert. „Das sind Verletzungen, wie wir sie von einem Autounfall
       oder vom Boxsport kennen.“
       
       Zwei Jahre liegt das jetzt zurück: Das Verfahren hatte auch deshalb so lang
       gedauert, weil Marcel B. seinem Opfer Widerstand gegen polizeiliche
       Maßnahmen unterstellt hatte. Denn Marcel B. behauptet, er habe ihn
       kontrollieren wollen. Anlass: Knapp eine Stunde zuvor war in anderthalb
       Kilometern Entfernung ein Einbruch gemeldet worden. Und V. de O., ein
       Schwarzer, trug auf dem Weg zur Frühschicht in der Wurstfabrik eine Tasche
       mit Wechselsachen. Sehr verdächtig. Und während V. de O. und eine
       Augenzeugin die Kontrolle als ansatzlosen Angriff aus einem Versteck
       schildern, will B. sein Opfer angesprochen, per Stablampe angeleuchtet und
       sich als Polizist mit vorgehaltenem Ausweis offenbart haben.
       
       ## Bezichtigung des Opfers
       
       Nichts davon sei in drei Verhandlungstagen glaubhaft geworden, so der
       Richter. Im Gegenteil. In einem – so Ahlers – „nach reiflicher Überlegung“
       erst am Abend des 22. Mai verfassten Bericht bezichtigte Marcel B. dann den
       untersetzten Koch, ihn, den krafttrainierten, bulligen Polizisten,
       angegriffen zu haben. Und obschon der Kommissar im Prozess vorgab, nach der
       Tat arg betroffen gewesen zu sein, weil ja der kontrollierte und
       verprügelte Mann gar kein Einbrecher war, hat er ihn wegen des Vergehens
       nach Paragraf 113 StGB dann doch angezeigt.
       
       Immerhin wertete Richter Ahlers die Verfahrensdauer von über zwei Jahren
       gegen den ausdrücklichen Wunsch von Staatsanwalt Udo Stehmeier leicht
       strafmildernd: Stehmeier hatte nach einem engagierten Plädoyer anderthalb
       Jahre gefordert, Antrag, dem die Nebenklage-Vertreterin, Anwältin Britta
       von Döllen-Korgel, beitrat.
       
       ## Das Problem der irregeleiteten Solidarität
       
       Im Plädoyer hatte sie die Aufmerksamkeit auf den so genannten
       generalpräventiven Zweck der Strafe gelenkt – also die Wiederherstellung
       des Vertrauens in die Rechtsordnung und ihre Geltung, das durch die Tat
       verletzt wurde.
       
       „Schauen wir uns die Öffentlichkeit dieses Verfahrens an“ sagte sie mit
       Blick auf die voll besetzten Zuschauerreihen. „Wir haben hier einen Saal
       voll – ich hoffe doch interessierter, und nicht bloß zur Unterstützung
       erschienener – KollegInnen des Angeklagten.“ Sie erinnerte daran, dass, so
       pathetisch es klingen möge, „das Leben meines Mandanten zerstört“ worden
       sei. Sie halte es „für ein notwendiges Signal“, dass der Tat des Marcel B.
       „auch die Strafe auf dem Fuße folgt“. Es sei nicht hinnehmbar, wenn ein
       Polizist in Rambo-Manier arglose Leute zusammenschlägt.
       
       Argumentation, die Ahlers aufgriff: „Ein Rechtsstaat, der auf eine
       funktionierende Polizei angewiesen ist, kann ein solches Handeln in
       keinster Weise tolerieren“, hob er hervor. Offenkundig ungewollt hatten die
       beiden kurz nach dem Gewaltexzess am Tatort eingetroffenen KollegInnen des
       Marcel B. die Dringlichkeit dieses Aspekts verdeutlicht.
       
       ## Können Polizisten lügen?
       
       Ihre Zeugenaussagen wirkten nicht nur nach Einschätzung der taz fingiert.
       So wies von Döllen-Korgel darauf hin, dass viel dafür spreche, dass die
       Aussage des Kommissar M. „falsch war“.
       
       Staatsanwalt Stehmeier wertete sie als missglückten Versuch, „eine wie auch
       immer geartete Widerstandshandlung zu konstruieren“, mit dem Ziel, dem
       Angeklagten aus der Patsche zu helfen. Ähnliche Worte fand Richter Ahlers.
       Ja, selbst Verteidiger Temba Hoch sah sich genötigt, darauf hinzuweisen,
       dass mögliche Falschaussagen der polizeilichen ZeugInnen seinem Mandanten
       nicht angelastet werden dürften. Er hatte auf Freispruch plädiert. Die
       Aussagen einer Augenzeugin seien teilweise widersprüchlich. Und es fehle
       ein Motiv. „Warum“, so Hoch, „sollte mein Mandant auf jemanden
       einschlagen?“
       
       Das ist eine wichtige Frage. Auch V. de O. stellt sie sich. Fast täglich,
       schon seit dem Morgengrauen des 21. Mai 2013. Als der Krankenwagen
       eingetroffen ist, sitzt er da, so ist es geschildert worden, am Boden
       zerstört, und fragt: „Warum tut er so etwas? Warum hat er das getan?“
       
       Bis heute hat er darauf keine Antwort.
       
       NaN NaN
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Feind-&-Schlaeger/!5207935/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Schirrmeister
       
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