# taz.de -- Flüchtlinge im Frauenhaus: Nach der Flucht ist vor der Flucht
       
       > Nesrin A. sucht Schutz vor ihrem gewalttätigen traumatisierten Mann. Doch
       > Geflüchtete bekommen schwer Platz im Frauenhaus.
       
 (IMG) Bild: Hilfesuchende in einem Frauenhaus in Berlin (Archivbild von 2009).
       
       Berlin taz | Dann steht Nesrin A. mit ihren fünf Kindern vor dem
       Frauenhaus, das älteste neun Jahre alt, das jüngste neun Monate.
       
       Ihr Mann hat sie mal wieder verprügelt und beschimpft, die Kinder waren mit
       dabei. Das hatte er schon oft getan, seit die Familie vor über einem Jahr
       aus einem Kriegsgebiet im Nahen Osten nach Hamburg kam. Einmal hatten
       Nachbarn die Polizei gerufen, so laut hatte Nesrin A. geschrien.
       
       Nesrin A. spricht nur ein paar Brocken Deutsch, zum Einkaufen nimmt sie
       ihre Älteste mit, als Dolmetscherin. Auch im Frauenhaus übersetzt das
       Mädchen, manchmal kommt eine Dolmetscherin.
       
       Eine Mutter, die mit fünf Kindern Zuflucht im Frauenhaus sucht – das ist
       schwierig. [1][Deutschlandweit sind die Frauenhäuser überbelegt]. 2013
       nahmen 76 Frauenhäuser bundesweit 5.000 Frauen auf, 7.000 mussten
       abgewiesen werden. Es gab keinen Platz.
       
       ## Ein Platz im Frauenhaus kostet 39 Euro pro Tag
       
       Auch das Frauenhaus in Hamburg hat Probleme mit freien Plätzen. Aber der
       Fall Nesrin A. ist bekannt, die Frau und ihre Kinder können unmöglich
       abgewiesen werden. Ein paar Nächte kommen die Sechs mit anderen Frauen und
       Kindern im Notaufnahmezimmer unter.
       
       Nesrin A., die in Wirklichkeit anders heißt, ist froh, erst mal hierbleiben
       zu können. Zu oft schon hat ihr Mann versprochen, nicht mehr zuzuschlagen,
       und das Versprechen gebrochen. Nesrin A. sagt, dass er nichts für seine
       Gewaltausbrüche könne, er sei „kriegstraumatisiert“. Aber dieses Wissen
       schützt sie und ihre Kinder nicht vor seiner Wut.
       
       Immer mehr Flüchtlingsfrauen klopfen an die Türen von Frauenhäusern. 2013
       waren knapp 19 Prozent der Frauen in den Hilfseinrichtungen Flüchtlinge mit
       einem „unsicheren Aufenthaltsstatus“, wie der Verein
       Frauenhauskoordinierung in seiner Bewohnerinnenstatistik auflistet.
       
       Viele Frauenhäuser müssen die Gewaltopfer aber wieder wegschicken. Manche
       Häuser, weil sie voll sind und nicht mal mehr einen Notschlafplatz frei
       haben. Andere, weil die hilfesuchenden Frauen keinen anerkannten Asylstatus
       haben. Das ist ein Problem. Denn die Frauen können nicht kostenlos in den
       Anlaufstellen unterkommen.
       
       ## Wer zahlt für den Aufenthalt?
       
       39 Euro pro Person pro Tag kostet ein Platz in nahezu jedem Frauenhaus.
       Geld, das entweder von der Kommune kommt oder von den Frauen selbst.
       
       Betroffene mit eigenem Einkommen müssen ihren Aufenthalt selbst bezahlen.
       Bei Hartz-IV-Bezieherinnen übernehmen die Sozialämter oder die Jobcenter
       die Kosten. Für Flüchtlingsfrauen mit ungeklärtem Aufenthalt zahlt in der
       Regel niemand. Denn Flüchtlinge bekommen üblicherweise Leistungen nach dem
       Asylbewerberleistungsgesetz: Unterkunft, Essen, Kleidung. Aber nicht als
       Geld-, sondern als Sachtransfer. Sie müssen in der Asylunterkunft nichts
       bezahlen.
       
       Diese Regelung gilt in vielen Frauenhäusern aber nicht. Also weisen die
       Einrichtungen die Frauen ab. Oder helfen ihnen auf eigene Rechnung.
       
       Das kann teuer werden: Bleiben eine Flüchtlingsfrau und ihr Kind, denen
       Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zustehen, ein halbes Jahr
       im Frauenhaus, fallen rund 14.000 Euro an. Die müsste das Frauenhaus selbst
       zahlen, wenn es keine pauschalen Zuwendungen von der Kommune bekommt. „Das
       kann sich kein Frauenhaus auf Dauer leisten“, sagt Eva Risse von der
       Zentralen Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser.
       
       ## Kein Zugriff aufs Familienkonto
       
       Nesrin A. hat Glück. Sie hat einen dauerhaften Aufenhaltstatus und damit
       das Recht auf Hartz IV. Sie kann also problemlos in einem Frauenhaus
       unterkommen. Aber Nesrin A. hat andere Sorgen. Die Wohnung ihres Mannes
       liegt in der Nähe des Frauenhauses. Das könnte gefährlich werden, sagen die
       Mitarbeiterinnen dort: Nesrins Mann könnte versuchen, Nesrin A.
       zurückzuholen. Die Frauenhäuser kennen aus Erfahrung sämtliche Methoden von
       Männern, die in Schutzräume eindringen wollen.
       
       Nesrin A. kann also unmöglich im Hamburger Frauenhaus bleiben. Die
       Mitarbeiterinnen dort telefonierten sämtliche Frauenhäuser in Deutschland
       ab. Irgendwo muss es doch freie Plätze geben. Aber gleich sechs?
       
       Es klappte. Nesrin A. und ihre fünf Kinder werden in Kürze nach
       Süddeutschland umziehen. Doch es gibt noch ein Problem: Nesrin A. hat kein
       Geld. Das Familienkonto läuft auf den Namen ihres Mannes, sie hat keinen
       Zugriff darauf. Auch hier hilft das Frauenhaus: Es bezahlt die Fahrkarten
       aus Spenden.
       
       Wie lange Nesrin A. im neuen Frauenhaus bleiben wird, weiß niemand. Sie
       will so bald wie möglich in eine Wohnung. Das kann dauern. In
       Ballungsgebieten ist die Wohnungssituation oft so prekär, dass manche
       Frauen bis zu einem Jahr im Frauenhaus wohnen. Länger als ihnen lieb ist.
       
       1 Jul 2015
       
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