# taz.de -- Neuer Chef vom Bund der Vertriebenen: Familie ist Heimat
       
       > Ein schwuler CSU-Mann löst die rechtskonservative Erika Steinbach als
       > Spitze des Bundes der Vertriebenen ab. Eine Begegnung mit Bernd
       > Fabritius.
       
 (IMG) Bild: CSU, schwul, staatstragend: Bernd Fabritius.
       
       Was an ihm zunächst am stärksten auffällt, ist seine Stimme. Bernd
       Fabritius spricht makelloses Deutsch. Dass er in mehr als einer Stunde
       keinen einzigen Fehler beim Sprechen macht, wird erst beim erneuten Abhören
       der Gesprächsaufzeichnung deutlich. Einnehmender ist jedoch dieses dunkle
       Timbre.
       
       Man denkt: Der regt sich nie auf, der fährt niemals aus der Haut, der
       entäußert sich nicht. Wie soll das auch gehen, wenn einer den Buchstaben R
       sanft und kräftig zugleich rollt?
       
       Er ist ein Mann der CSU, sitzt für diese im Bundestag seit 2013 und
       bearbeitet als Parlamentarier nun verschiedene Politikfelder, vor allem
       europäische. Seine erste Prominenz allerdings hat mit seinem wichtigsten
       Posten zu tun.
       
       Er ist Erika Steinbachs Nachfolger als Präsident des Bundes der
       Vertriebenen – und dass auf die rechtskonservative Politikerin nun der
       schwule Fabritius folgte, ist eine fast schon ironische Pointe.
       
       Als ersten Erben der Streitlust dieser Politikerin hätte man sich alle
       Möglichen vorstellen können, gewiss eine Person, die wie Steinbach für die
       alten Gepflogenheiten der CDU steht: gegen Migranten, gegen Ausländer,
       gegen das Fremde und gegen die Ehe für alle, auch für Homosexuelle,
       ohnehin.
       
       ## Steinbachs Wunschkandidat
       
       Nun aber ist es Fabritius, geboren in Rumänien. Er sei Erika Steinbachs
       Wunschkandidat gewesen. Und ist doch, allein schon seiner Ausstrahlung als
       Vermittler wegen, das Gegenteil seiner Vorgängerin.
       
       Einer, der sich auf seinem Posten parteiübergreifend versteht – und auch
       einem Grünen wie Milan Horacek im Präsidium des Bund der Vertriebenen
       freundschaftlich verbunden ist.
       
       Ein Mann, geboren 1965 in Agnetheln, Abitur im siebenbürgischen
       Hermannstadt, danach die Auswanderung mit Eltern und Geschwistern nach
       Deutschland, ins Bayerische.
       
       Ein Mann, heute von wuchtiger Statur, wollte es schaffen. Das hat er mit
       vielen Einwanderern gemein, Bernd Fabritius aber sagt, dass die Kraft, den
       eigenen Weg zu gehen, sehr viel mit einer guten Familie zu tun hat.
       
       ## Das Persönliche ist nicht politisch
       
       Zunächst treffen wir uns in seinem Büro im Abgeordnetenviertel rund um die
       Dorotheenstraße. Er erzählt von dem, was seine Partei, die CSU, ebenso wie
       die CDU womöglich am heftigsten umtreibt, zumindest erscheint es von außen
       so: Homosexuelle und ihre Partnerschaften – und ob diese nun auch Ehen
       genannt werden sollten oder vom Namen ein wenig unterhalb des Rangs einer
       Ehe angesiedelt zu bleiben haben.
       
       Später wird Bernd Fabritius abwehrend sagen: „Der Komplex soll nicht so
       Raum greifen.“ Soll heißen: Er lässt sich über seine persönlichen
       Lebensumstände gerne befragen, aber, bitte, sie stehen nicht für seine
       politische Agenda.
       
       Und doch erzählt er freimütig – und unterscheidet sich so sowohl vom Gros
       der schwulen Mandatsträger der Sozialdemokratie als auch von seinen
       Fraktionskollegen Stefan Kaufmann und Jens Spahn. Nämlich durch eine
       gewisse „Ich stehe hier und will nicht anders“-Haltung.
       
       Bernd Fabritius, das muss man ja immer noch hervorheben, macht aus seinem
       Schwulsein keinen Hehl. „Ich führe mit meinem Partner eine liberale, im
       herkömmlichen Sinne konservative Lebensgestaltung.“ Er sagt „Partner“, im
       Privaten heißt er ihn „Freund“. Und: „Wir leben eine Familie. Ich sehe
       keinen Unterschied zur Ehe meiner Eltern. Und meine Eltern sehen auch
       keinen Unterschied. Mein Partner ist ihnen ihr Schwiegersohn.“
       
       ## Die Mutter und ihr Schwiegersohn
       
       Und dass er seine Art zu lieben so klar überliefert, muss natürlich eine
       Vorgeschichte haben. Und Fabritius erzählt sie so: „Schwulsein war in
       Siebenbürgen natürlich kein Thema. Ich dachte, ich wäre der Einzige, der so
       ist. Und dann verliebte ich mich, in Bayern schon.
       
       Mir ging es nicht gut in der Zeit, und das merkte mir meine Mutter an.“ So
       fragte sie ihn besorgt: Hast du Geldsorgen? Nimmst du Drogen? Ein
       uneheliches Kind? Irgendwann hat sie gefragt: Hast du einen Freund? Das war
       der Dammbruch.
       
       Sie sagte: Ich möchte wissen, wer mein Schwiegersohn ist. „Wie ich mich in
       meinen Eltern getäuscht habe.“ Beim nächsten großen Fest der
       weitverzweigten Familien hieß es dann nur so freudig wie lapidar: Wir haben
       Familienzuwachs bekommen – und mit diesem war der Freund gemeint.
       
       Ähnlich sei es ihm mit der Partei ergangen. Als er gefragt wurde, ob er in
       den Bundestag möchte, berichtete Bernd Fabritius frank und frei: Ich bin,
       wie ich bin, und das werde ich nicht verstecken. Das wurde, so sagt er,
       umstandslos und ohne Nachfragen akzeptiert. Zu offiziellen Anlässen geht er
       nun mit seinem Partner.
       
       ## Ein Konservativer? Unbedingt.
       
       Schwule Politik wie die des Grünen Volker Beck wolle er allerdings nicht
       machen. „Exponierte Schwulenpolitik haben wir gebraucht“, aber nun sei das
       Meiste geschafft. Unverständlich findet Fabritius, dass sich seine Union in
       der Homofrage „so hat treiben lassen – durch Karlsruhe, das uns den Weg
       leuchtet“.
       
       Aber, wie erwähnt, den „Komplex“ des Privaten, das ja nur zu politisch ist,
       will er nun verlassen – fügt aber noch an, dass er als schwuler Mann
       betrübt gewesen sei, kein Vater zu werden. In seinem jetzigen Leben sei ein
       kleines Kind nicht gut. „Es muss ja um das Kind gehen, nicht um die
       Elternwünsche. Und wir beide könnten einem Kleinen kein gutes Leben
       bereiten, weil ich als Politiker ständig unterwegs bin.“
       
       Okay, so sei der Bereich des Allzuprivaten, angekommen vor dem Berliner
       „Deutschlandhaus“, nun verlassen, weiter geht es zunächst mit
       Programmheftlyrik: Er stehe, wie seine Partei, für eine „Gratwanderung
       zwischen Sozialstaat und gesunder Wirtschaft“.
       
       Er erzählt, dass er von der Ausbildung her Jurist sei und Fragen der
       Rentenpolitik besonders zugeneigt. Aber ist er ein Konservativer? Er bejaht
       sehr. Aber, nach all den Merkeljahren, was ist dieses Bewahrende nun genau?
       Der Glauben an die Heimat, sagt er dann, das Selbstvertrauen in Werte,
       menschliche Gemeinschaften.
       
       Heimat? Wir sind zur Eingangsruine des S-Bahnhofs Anhalter Bahnhof
       gefahren, Bernd Fabritius lässt sich dort vor dem Deutschlandhaus an der
       Stresemannstraße fotografieren, in durchaus scheuen Posen. Dort entsteht
       momentan die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung.
       
       ## Das Ansinnen der Vertriebenen ist ein friedvolles
       
       Heimat, sagt der oberste Vertriebenenpräsident, ist der Ort der
       Gemeinschaft. „Dort, wo ich zu Hause bin, wo ich in einer gewissen Weise in
       Kontakt bin – und nicht nur ein Möbel bin.“ Aber hatte der Philosoph Ernst
       Bloch nicht recht, als er sagte Heimat sei das Paradies, das man nie hatte,
       ein Erinnerungsort, der in die Kindheit verlegt wird, um als Sehnsucht zu
       schimmern?
       
       Fabritius sagt jetzt nur knapp: „Ich hatte das Paradies immer. Ein Ort, in
       dem man sich nicht immer erklären muss. Was der Philosoph sagt, ist mir zu
       wischiwaschi. Ich hatte eine Heimat in Siebenbürgen und dann in
       Waldkraiburg in Bayern. Jetzt wird es auch Europa sein.“
       
       Er erzählt, dass die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung in
       unmittelbarer Nachbarschaft zur Gedenkstätte Topographie des Terrors liegt,
       dass das Holocauststelenfeld nicht fern ist – und dass das Ansinnen der
       Vertriebenen stets ein friedvolles sei.
       
       Darüber ließe sich jetzt tüchtig streiten, aber aus der Sicht Fabritius’
       ist das nicht einmal verkehrt: als einer, der mit seiner Familie aus dem
       Rumänien Ceausescus floh, weiß er, dass zur Geschichte von Fluchten auch
       die heutigen aus Afrika und Syrien zählen.
       
       Auch in dieser Hinsicht ist vom Bund der Vertriebenen keine Herzlosigkeit
       zu erwarten: Fabritius weiß, dass Flüchtlingsschicksale in Deutschland
       nicht erst von Interesse sind, wenn sie Bürger deutschkultureller
       Provenienz betreffen.
       
       26 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
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