# taz.de -- Unterwegs in Athen: Ein heilloses Durcheinander
       
       > Die Lage wird immer unübersichtlicher: So werden auf einer Pro-EU-Demo in
       > Athen Linksautonome von Syriza-Anhängern als „Faschisten“ beschimpft.
       
 (IMG) Bild: 22. Juni 2015: Pro-EU-Demo vor dem Athener Parlament.
       
       ATHEN taz | „Der Pass zur Übereinstimmung“, titelt die konservative
       Tageszeitung o Ethnos. Danai Makri steht an einem Kiosk im Zentrum Athens,
       zeigt auf das Titelblatt der konservativen Tageszeitung. „Jeden Morgen
       graut es mir mittlerweile vor den Schlagzeilen“, so die Endvierzigerin. Wie
       jeden Morgen kauft sie sich die Tageszeitung auf dem Weg ins Büro. Sie
       zahlt, steckt ihr Portemonnaie tief in ihre Handtasche zurück und wirft
       dann einen kurzen Blick auf die erste Seite der Zeitung. „Tja, jetzt soll
       wohl doch bei den Renten gekürzt und die Steuern erhöht werden“, seufzt
       sie.
       
       Das habe sie eigentlich auch nicht anders erwartet. „Die Wahlversprechen
       die Tsipras von sich gegeben hat – die waren ja unrealistisch“, sagt Makri.
       Dennoch habe sie bei den Wahlen im Januar für die linke Syriza gestimmt und
       lacht. „Hier in Griechenland ist das mittlerweile alles sehr verquer“,
       erklärt sie. „Für eine linke Partei stimmen nicht nur Linke, sondern auch
       Verzweifelte.“ Ihr Gehalt sei ebenfalls gekürzt worden. Ihr Mann habe
       seinen Job verloren, weil die Firma pleite ging.
       
       „Mit der Syriza hoffte ich auf eine Änderung“, betont sie. Sie habe große
       Sorge, dass die Syriza dem Druck der Gläubiger nun nicht standhalten kann.
       „Aber sicher ist bisher noch nichts“, scheint sich die Frau sich selbst zu
       beruhigen. Die Verhandlungen der griechischen Regierung mit den Gläubigern
       liefen ja noch. Ja, auch sie sei auf der Pro-EU-Demonstration vor dem
       Parlamentsgebäude gewesen.
       
       Tausende Menschen hatten sich dort am Montagabend versammelt, um ihr
       Anliegen deutlich zumachen: „Wir wollen in der EU bleiben“, sagt Makri und
       spricht damit aktuellen Umfragen zufolge für knapp 70 Prozent der
       GriechInnen. „Aber unter menschlichen Umständen“, fügt sie leise hinzu.
       
       ## Die Zeit drängt
       
       Die Anspannung in der Bevölkerung wächst, denn die Zeit drängt. Ende Juni
       läuft das aktuelle Hilfsprogramm für Griechenland aus. Zusätzlich muss eine
       Zahlung in Höhe von 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen
       Währungsfonds (IWF) getätigt werden. Sollte es nicht bald zur
       Übereinstimmung zu einem neuen Sparprogramm kommen, um so die dringend
       benötigte Auszahlung in Höhe von 7,2 Milliarden Euro zu erhalten, droht dem
       Land die Staatspleite.
       
       Arm in Arm mit ihrem Mann läuft Eva Tsimikali die große Hauptstraße neben
       dem Parlamentsgebäude hinauf. Das Paar Ende 50 war ebenfalls auf der
       Pro-EU-Demonstration gewesen. Tsimikali war früher Mitglied der
       Synaspismos, einer der größten Partei des Parteien-Bündnisses Syriza,
       erzählt sie. „Als sich die Syriza bildete, bin ich allerdings ausgetreten.“
       
       Sie habe damals schon das Durcheinander kommen sehen, das ein so großes
       Bündnis aus über zehn unterschiedlichen linken Strömungen hervorrufen wird.
       „Die Syriza sind für mich keine Linken. Sie werden genau das gleich machen,
       wie andere Regierungen vorher – ihre eigenen Leute in gute Positionen
       holen“, prognostiziert sie. Sie und ihr Mann bezeichnen sich selbst als
       Sozialisten und hoffen endlich auf einen demokratisch funktionierenden
       Sozialstaat.
       
       ## EU oder Drachme
       
       Etwas abseits der Hauptstraße sitzt Student Giorgios auf den Stufen vor dem
       Parlamentsgebäude und nippt an seinem Milchkaffee im Pappbecher. Er habe
       das Geschehen am Montag aus der Ferne beobachtet, denn er wisse nicht mehr
       ob er für die EU oder die Drachme sein soll. Es sei ein heilloses
       Durcheinander hier. Gegen Ende der Demonstration seien plötzlich
       Linksautonome aufgetaucht und hätten für ein paar Minuten die Demo
       aufgemischt, berichtet er. Sogar die Polizei sei kurz dazwischen gegangen.
       
       Dann der Clou, lacht er: „Die Linksautonomen wurden von Syriza-Anhängern
       als Faschisten beschimpft!“ Die Auseinandersetzungen endeten glimpflich.
       Der junge Mann wirkt nachdenklich. Dann sagt er leise: „Egal, was Tsipras
       auch versprochen hat und egal, was er davon vielleicht nicht einhalten kann
       – ich bin froh, dass er das griechische Volk dazu gebracht hat, die Syriza
       zu wählen.“ In einer solch unruhigen Zeit wären sonst mit größter
       Wahrscheinlichkeit die wirklichen Faschisten der Partei Xrisi Avgi (Goldene
       Morgenröte) gewählt worden.
       
       23 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Theodora Mavropoulos
       
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