# taz.de -- Kommentar Tugce-Urteil: Es gibt nur Verlierer
       
       > Sanel M. ist ausschließlich Täter, Tugce A. Märtyrerin. Diese Vorurteile
       > haben sich zementiert – lange vor dem Richterspruch. Aber so einfach ist
       > das nicht.
       
 (IMG) Bild: Trauerveranstaltung für Tugce A. am 28. November 2011.
       
       Sie die Heldin, er der Totschläger. Auf diese schlichte Zuschreibung
       einigten sich nach dem Vorfall in der Offenbacher McDonald’s-Filiale im
       Herbst letzten Jahres alle: Polizei, soziale Netzwerke, Medien. Danach war
       die 22-jährige Tugce Albayrak, die am Morgen des 15. November von Sanel M.
       am Kopf geschlagen wurde und das nicht überlebte, eine Heilige. Der
       18-Jährige dagegen ein gewissenloser Jugendlicher.
       
       Wie sich bald herausstellte, war das zu einfach gedacht. Denn die junge
       Frau mit der glänzenden Zukunft als Lehrerin soll ebenfalls gepöbelt und
       mit unschönen Wörtern um sich geworfen haben. Sanel M., der aus sozial
       unsicheren Verhältnissen kommt, bereut hingegen seine Tat schwer. Sogar
       Tränen flossen.
       
       Was sagt uns das? Zunächst einmal, dass die Welt selten schwarz-weiß ist
       und dass man mit schnellen Urteilen vorsichtig sein muss. Vor allem bei der
       klischeehaften Bewertung sozialer Milieus. Medien haben diesbezüglich eine
       besondere Verantwortung. Die die meisten Zeitungen und Radio- und
       Fernsehsender auch wahrnehmen wollen – und sich im Nachhinein vielfach
       revidierten.
       
       So rasch wie Tugce Albayrak zur Märtyrerin gemacht und der junge Mann
       verurteilt worden war, so eifrig wurde nun erklärt, dass die junge Frau
       ebenfalls nicht ganz ohne war. Das wiederum ist auch zu einfach. Denn in
       diesem Fall – wie in anderen Fällen – gibt es keine ausschließlichen Opfer
       und Täter. Es gibt nur VerliererInnen. Tugce A. ist tot, und Sanel M.
       verbringt seine Jugend im Gefängnis.
       
       Vorsicht sei auch geboten, Pöbeleien und Schimpfwörter unter Jugendlichen
       überzubewerten. Ein solcher Umgang gehört zum Jungsein, ob das Ältere nun
       despektierlich finden oder nicht. Nur der Tod, der gehört da absolut nicht
       hin.
       
       16 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
       
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