# taz.de -- Bundesgerichtshof zu Abschiebungsfall: Iraker durfte sich nicht wehren
       
       > Grundsätzlich darf sich niemand mit dem Messer gegen Polizeimaßnahmen
       > verteidigen. Auch nicht, wenn sie rechstwidrig sind, urteilt der BGH.
       
 (IMG) Bild: Auch wenn die Abschiebung rechtswidrig ist, man darf sich nicht wehren.
       
       KARLSRUHE taz | Wer sich gewaltsam gegen eine irreguläre Abschiebung wehrt,
       kann sich nicht auf Notwehr berufen. Dies entschied jetzt der
       Bundesgerichtshof (BGH).
       
       Ein heute 41-jähriger Iraker kam 2002 nach Deutschland und stellte einen
       Asylantrag, der 2005 abgelehnt wurde. Da eine Abschiebung zunächst nicht
       möglich war, lebte er mit Duldungen weiter in Ludwigsburg bei Stuttgart.
       Anfang 2014 ordnete die Ausländerbehörde jedoch den Vollzug der Abschiebung
       an, obwohl die Duldung noch zwei Monate Gültigkeit hatte.
       
       Am frühen Morgen des 4. Februar 2014 läuteten zwei Polizisten bei dem
       Iraker, um ihn zum Frankfurter Flughafen zu bringen. Der Mann war völlig
       überrascht und zeigte den Polizisten seine Duldung. Als diese insistierten,
       ergriff er ein langes Küchenmesser und drohte mit Selbstmord. Die
       Polizisten verließen die Wohnung und holten Verstärkung.
       
       Wenig später fanden sie den Iraker in einem Verschlag auf dem Balkon einer
       Nachbarin. Als dessen Tür geöffnet wurde, hieb er mehrfach mit dem Messer
       nach den Polizisten, ohne diese zu verletzen. Das Landgericht Stuttgart
       wertete dies als versuchten Totschlag und verurteilte den Mann zu drei
       Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe.
       
       Dagegen legte der Anwalt des Irakers Revision ein. Die Abschiebung sei
       rechtswidrig gewesen und die Polizisten hätten die vorgezeigte Duldung
       zumindest prüfen müssen. Da sie dies nicht taten, seien die Messerhiebe als
       Notwehr gerechtfertigt gewesen.
       
       ## Die Polizisten wissen nicht, was sie tun
       
       Der BGH lehnte die Revision jedoch ab. Zwar hielt auch der BGH die
       Abschiebung für rechtswidrig. Doch sei gegen rechtswidriges Handeln der
       Behörden in der Regel keine Notwehr erlaubt. Begründung: Die Polizisten vor
       Ort könnten in der Regel nicht abschätzen, ob die Anordnungen, die sie
       vollstrecken, rechtmäßig sind oder nicht.
       
       Gegen staatliches Handeln könne der Bürger auch klagen. Selbst der Iraker
       sei „nicht völlig rechtsschutzlos“ gewesen, so der Vorsitzende Richter. Er
       hätte auf dem Weg zum Flughafen noch eine Prüfung seiner Duldung
       veranlassen können.
       
       Notwehr gegen rechtswidrige Polizeimaßnahmen ist laut BGH nur möglich, wenn
       die Polizisten sachlich oder örtlich unzuständig sind, wenn sie klar gegen
       das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen oder wenn sie willkürlich
       handeln. Der BGH bestätigt damit im Kern seine bisherige Rechtsprechung.
       (Az.: 1 StR 606/14)
       
       9 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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