# taz.de -- Rechtscheck Vorratsdatenspeicherung: Sie werden es nicht richten
       
       > Die Vorgaben des BVerfG sind erfüllbar. Der EuGH hat anlasslose
       > Datenspeicherungen auch nicht eindeutig verboten. Und nun?
       
 (IMG) Bild: Muss man nun rotsehen?
       
       FREIBURG taz | Auf parlamentarischem Wege ist die Vorratsdatenspeicherung
       kaum noch zu stoppen. Die Regierung drückt aufs Tempo, die SPD-Fraktion,
       die den Gesetzentwurf an diesem Dienstagabend diskutiert, hält wohl still.
       Wieder einmal schauen alle auf die Gerichte. Sind Klagen beim
       Bundesverfassungsgericht erfolgversprechend? Wird der Europäische
       Gerichtshof das Projekt stoppen?
       
       Die Große Koalition will Telefon- und Internetdaten der ganzen Bevölkerung
       wochenlang auf Vorrat speichern. Verfassungsbeschwerden sind bereits
       angekündigt, unter anderem von FDP-Vize Wolfgang Kubicki. Sobald das Gesetz
       in Kraft ist, kann binnen eines Jahres jeder Bürger klagen.
       
       2010 hatte Karlsruhe auf Beschwerde von rund 34.000 Einzelpersonen und
       FDP-Politikern das erste deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung
       kassiert. Die Richter sahen die anlasslose Speicherung zwar skeptisch,
       verboten sie aber nicht.
       
       Karlsruhe machte damals nur punktuelle Vorgaben: Die zwangsgespeicherten
       Daten müssen bei den Firmen besser geschützt werden. Die Polizei darf die
       Daten nur zum Schutz „überragend wichtiger Rechtsgüter“ abfragen. Und
       schließlich dürfen Daten, die den Kontakt zu anonymen Beratungsstellen
       dokumentieren, nicht an die Polizei übermittelt werden. Diese Vorgaben sind
       im aktuellen Gesetzentwurf wohl ausreichend erfüllt.
       
       ## Eingriffe in das Privatleben
       
       Eine neue Klage ist dennoch nicht aussichtslos. Denn Karlsruhe ändert im
       Lauf der Zeit recht oft seine Maßstäbe, zuletzt beim Kopftuch für
       Lehrerinnen.
       
       Strenger mit der Vorratsdatenspeicherung war bereits der Europäische
       Gerichtshof, der im April 2014 die entsprechende EU-Richtlinie für nichtig
       erklärte. Er forderte, dass Eingriffe in das Privatleben und den Schutz
       persönlicher Daten aufs „absolut Notwendige“ begrenzt werden müssen. Dabei
       kritisierte er die in der Richtlinie enthaltenen Regeln zu Erhebung, Zugang
       und Speicherung der Daten.
       
       Radikal wirkt vor allem die EuGH-Kritik an der Erhebung der Daten in
       Randziffer 57 des Urteils. Er monierte, dass sich die EU-Richtlinie auf
       „alle Personen und alle elektronischen Kommunikationsmittel sowie auf
       sämtliche Verkehrsdaten erstreckt, ohne irgendeine Differenzierung,
       Einschränkung oder Ausnahme anhand des Ziels der Bekämpfung schwerer
       Straftaten vorzusehen“. Das klingt wie eine generelle Absage an anlasslose
       Vorratsspeicherungen.
       
       Allerdings stützt der EuGH seine Aussage, dass die Richtlinie den Eingriff
       nicht auf das „absolut Notwendige“ begrenzt, auf die Summe seiner
       Kritikpunkte (Randziffer 65) und nicht nur die Anlasslosigkeit der
       Speicherung.
       
       ## Die EuGH-Anforderungen seien erfüllt
       
       Justizminister Maas argumentiert in seinem Gesetzentwurf, dass er die
       Anforderungen des EuGH erfülle, weil die geplante deutsche Regelung in
       vielen Punkten datenschutzfreundlicher sei als die EU-Richtlinie: Die
       E-Mail-Verkehrsdaten werden gar nicht mehr erfasst, die Speicherdauer der
       Telefon- und Internet-Verkehrsdaten wurde von mindestens sechs Monaten auf
       vier bis zehn Wochen reduziert. Zudem ist der Zugriff künftig im Kern auf
       die Aufklärung schwerer Straftaten beschränkt.
       
       Möglicherweise genügt das dem EuGH. Die EU-Richter müssen schließlich
       beachten, dass sie nicht nur für Deutschland zuständig sind. Wenn sie die
       deutsche Regelung beanstanden, dann müssten sie auch die weitergehenden
       Regelungen in mehr als zwanzig anderen EU-Staaten kippen.
       
       Innen-Staatssekretär Günter Krings (CDU) hat sogar schon behauptet, dass
       der EuGH für eine deutsche Vorratsdatenspeicherung (ohne EU-Richtlinie) gar
       nicht zuständig sei. Da liegt er aber falsch. Denn die E-Privacy-Richtlinie
       der EU von 2002 regelt den Datenschutz in der elektronischen Kommunikation
       und wird ebenfalls vom EuGH ausgelegt. In Artikel 15 dieser Richtlinie wird
       es den Mitgliedstaaten zwar erlaubt, Daten aus Gründen der öffentlichen
       Sicherheit „während einer begrenzten Zeit“ aufzubewahren. Solche Regelungen
       seien allerdings an den EU-Grundrechten zu messen.
       
       Zwar können Bürger nicht direkt beim EuGH klagen, allerdings kann jeder bei
       deutschen Amtsgerichten gegen seinen Provider vorgehen und die Amtsrichter
       können den Fall dann wiederum dem EuGH vorlegen.
       
       19 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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