# taz.de -- Urteil bestätigt Inzestverbot: Geschwisterliebe nicht erlaubt
       
       > Inzest bleibt in Deutschland weiterhin verboten. Damit sollen die
       > Betroffenen vor sich selbst beschützt werden. Doch die Argumente hinken.
       
 (IMG) Bild: Dürfen keine Familie gründen: Geschwisterpaar Patrick und Susan, die Eltern von vier Kindern.
       
       BERLIN taz In Deutschland bleibt Inzest eine Straftat. Das entschied am
       Donnerstag das Bundesverfassungsgericht. Susan K. ist die Mutter vierer
       Kinder aus der Beziehung zu ihrem Bruder. Sie hatte vor dem Gericht gegen
       den Inzest-Paragrafen 173 StGB geklagt. Denn auf dessen Grundlage wurden
       ihr die Kinder weggenommen - und ihr Mann zu zwei Jahren Gefängnis
       verurteilt.
       
       Doch die Verfassungsrichter halten den Paragrafen für vereinbar mit dem
       Grundgesetz. Die Richter argumentieren, das Inzestverbot sei
       verhältnismäßig, weil es die familiäre Ordnung vor schädigenden Einflüssen
       bewahren könne und ein erhöhtes Risiko von schwerwiegenden genetischen
       Schäden verhindere. Es sei auch kein unzulässiger Eingriff in die private
       Lebensführung, weil "der Beischlaf zwischen Geschwistern nicht
       ausschließlich diese selbst betrifft, sondern in die Familie und die
       Gesellschaft hinein wirken kann". Weiter argumentieren die Richter, dass
       daraus auch "Folgen für aus der Verbindung hervorgehende Kinder" entstehen
       könnten.
       
       Von dem Fall der konkreten Klägerin abstrahierend legten die Richter
       besonderen Wert darauf, "unterlegene" Partner einer inzestuösen Beziehung
       zu schützen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn Eltern mit ihren Kinder
       sexuelle Beziehungen anfangen.
       
       Wer nach Pragraf 173 StGB verurteilt wird, kann mit einer Freiheitsstrafe
       von bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe belegt werden.
       
       Ein Richter des Verfassungsgerichts urteilte allerdings anders:
       Vizepräsident Winfried Hassemer argumentiert, der Paragraf 173 StGB sei
       unverhältnismäßig. "Es spricht viel dafür, dass die Vorschrift in der
       bestehenden Fassung lediglich Moralvorstellungen, nicht aber ein konkretes
       Rechtsgut im Auge hat", heißt es in seiner Erklärung. Der Erhalt eines
       gesellschaftlichen Konsenses über Werte könne aber kein "unmittelbares Ziel
       einer Strafnorm sein".
       
       In dem konkreten Fall von Patrick S. aus Leipzig sind die Geschwister weder
       zusammen aufgewachsen noch ist einer der Partner "unterlegen". Und die
       Geschwister halten auch trotz Strafen an ihrer Beziehung fest. Die Mutter
       brachte gar ihr viertes Kind allein Zuhause zur Welt, aus Angst, dass man
       es ihr auch wegnehmen würde. Zu diesem Zeitpunkt saß ihr geliebter Bruder
       schon seit einem halben Jahr in der Justizvollzugsanstalt Plauen. Erst
       danach entschloß sich die verzweifelte Frau auf Empfehlung ihres Anwalts
       zur Klage.
       
       Inzest erregt noch immer die Gemüter. Doch viele Argumente dafür sind nicht
       stichhaltig: Denn in einer einvernehmlichen und selbstbestimmten Beziehung
       zwischen zwei Liebenden muss es nicht zwingend ein Opfer geben, das
       besonderen Schutzes bedarf. Fälle von sexuellem Missbrauch werden ohnehin
       durch andere Strafgesetzbuchparagrafen abgedeckt.
       
       Das medizinische Argument ist stärker: Zwar zeigen Studien, dass eine
       inzestuöse Beziehung nicht das Erbgut schädigt. Doch eine genetische
       Verbindung zwischen den Eltern kann Auswirkungen auf die Vererbung von
       Erbkrankheiten haben: Die Wahrscheinlichkeit, dass defekte, bei den Eltern
       rezessiv vorhandene Gene, an das Kind dominant vererbt werden erhöht sich.
       
       Doch wie schwerwiegend dieser Effekt zu Buche schlägt, ist wissenschaftlich
       umstritten. Und es ist fraglich, ob man Menschen Sex verbieten kann, nur
       weil sie das Risiko tragen, behinderte Kinder zu bekommen. Denn das gilt
       auch für viele andere (nicht blutsverwandte) Paare.
       
       Inzest zog im Laufe der Geschichte Bewunderung und Hass auf sich.
       Christentum, Judentum und Islam verbieten die Verbindung von
       Blutsverwandten kategorisch. In Indien galt die Liebesbeziehung als
       geistliches Verbrechen.
       
       Doch der Inzest wurde auch als Privileg betrachtet: Die Herrschenden in
       Persien und Ägypten beanspruchten die Heirat in der Familie als königliches
       Recht. Ähnlich verfährt der europäische Hochadel. Auch er favorisierte die
       Partnersuche in der eigenen Familie, wobei es allerdings hauptsächlich um
       den Machterhalt der Sippe ginge.
       
       13 Mar 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Yasmin Muskala
       
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