# taz.de -- Tabu Inzest: Phänomen in allen Zivilisationen
       
       > In allen Kulturen und zu allen Zeiten waren Formen des Inzests, aber auch
       > das Inzestverbot präsent. Freud begründete im 20. Jahrhundert den
       > Ödipuskomplex.
       
 (IMG) Bild: Kinder von Geschwistern müssen nicht mit Behinderung geboren werden.
       
       BERLIN taz | Es gilt als eines der letzten Tabus und doch gäbe es die
       Menschheit ohne ihn nicht – den Inzest. Er bezeichnet, grob gesagt,
       sexuelle Beziehungen zwischen direkten Verwandten. Das Wort stammt aus dem
       Lateinischen, „incestus“, zu Deutsch „unrein, unkeusch“. Der Inzest stand
       schon im alten Rom unter Strafe. In allen Kulturen und zu allen Zeiten
       waren Formen des Inzests, aber auch das Inzestverbot präsent.
       
       Gründe für ein Verbot fußen erst seit neuester Zeit auf biologischen
       Argumenten: Wegen des – nicht erwiesenen – Umstandes, dass Nachkommen von
       nahen Blutsverwandten häufiger mit Gendefekten zur Welt kommen. Dieses
       Argument liegt auch der deutschen Gesetzeslage zugrunde. Aber auch
       Ethnologen, Soziologen oder Psychologen liefern Gründe für ein Verbot. In
       Mythos und Fiktion ist Inzest bis heute ein häufiges Motiv.
       
       Bei den Griechen gründet die Entstehung des Lebens auf einer inzestuösen
       Vereinigung: Zeus und seine Gattin, die ewig eifersüchtige Hera, waren
       Geschwister und zeugten dennoch Kinder: Ares, Hebe, Hephaistos und
       Eileithya. Fernab der olympischen Götterwelt jedoch galten sexuelle
       Verbindungen zwischen Verwandten, vor allem zwischen Eltern und Kindern,
       als fluchbeladen. Bekanntestes Beispiel ist die Tragödie „König Ödipus“ von
       Sophokles. Er tötete bekanntlich seinen Vater und heiratete daraufhin seine
       Mutter Iokaste – ohne dies allerdings zu wissen. Als er von der doppelten
       Schande, Vatermord und Inzest, erfuhr, stieß er sich die Augen mit Nadeln
       aus und floh ins Exil.
       
       Der Wiener Psychoanalytiker Sigmund Freud griff den Mythos auf und benannte
       die in der Kindheit auftretende Rivalität zwischen Söhnen und ihren Vätern
       sowie einer unnatürlichen Mutterliebe nach dem König: „Ödipuskomplex“.
       
       Doch Freud widmet sich dem Thema Inzest auch an anderer Stelle: In seinem
       vier Aufsätze umfassenden Werk „Totem und Tabu“ spricht er von der
       „Inzestscheu“ am Beispiel der australischen Ureinwohner, die
       „inzestempfindlicher“ seien als die Europäer. Seine Erklärung dafür liegt
       in der Kindheit. Für Jungs finde die erste sexuelle Begegnung in der
       Familie, bei der Mutter oder bei der Schwester, statt. Im Laufe der
       Entwicklung befreie sich der Mensch davon – nur der Neurotiker nicht.
       
       12 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sunny Riedel
       
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