# taz.de -- Die Ukraine und der Kaukasuskrieg: Verschärfung der Tonlage
> In der Ukraine geht die Angst vor russischer Einmischung um. das
> Außenministerium will Bewegungen der russischen Schwarzmeerflotte
> einschränken.
(IMG) Bild: Für manche Kinderaugen ein Vergnügen, für die Ukraine derzeit jedoch eine potenzielle Quelle der Bedrohung: Die Schwarzmeerflotte.
Eine Busfahrt ukrainischer Fußballfans nach Moskau zum Spiel Dynamo Kiew
gegen Spartak Moskau endete an der Grenze. Dort wurde ihnen die Einreise
verweigert. Russische Grenzbeamte hatten in ihrem Gepäck die georgische
Flagge gefunden.
In der Ukraine brodelt es wieder. Im Internet schlagen die Wellen hoch, die
SMS-Verteiler rufen zur Solidarität mit Georgien auf, Bürgerinitiativen
sammeln Spenden für die zerstörten Regionen der Kaukasus-Republik. Im Land
geht die Angst um - Russland spielt mit den Muskeln, lässt seine Truppen in
einen souveränen Staat einmarschieren, und die Welt sieht machtlos zu. Wird
das im Fall der Fälle für die Ukraine anders sein?
Die Stimmung in Kiew und Lemberg ist gedrückt. Die Ukrainer sind äußerst
besorgt. Viele sehen im Kaukasuskrieg einen Präzedenzfall. "Wenn man jetzt
den Herren im Kreml kein eindeutiges Signal schickt, werden sie nicht mehr
zu stoppen sein. Die Verhandlungen über die Gaslieferungen und die Zukunft
der Schwarzmeerflotte werden aussichtslos sein und die Bedrohung real wie
nie zuvor", schreibt ein Besucher des Internet-Forums von Ukrainska Prawda.
Der Lemberger Publizist und Politologe Taras Wozniak geht noch weiter und
behauptet, dass sich das georgische Szenario nicht nur in Sewastopol,
sondern auch in Lemberg wiederholen könne, dessen Altstadt als kulturelles
Welterbe unter dem Denkmalschutz der machtlosen Unesco steht. "Die
geopolitische Situation hat sich total verändert… Die internationalen
Institutionen sind machtlos. Die Welt ist zur Gewalt zurückgekehrt."
Die Politiker sind zwischen Solidaritätsgefühlen für Georgien und der
Abhängigkeit von Russland hin- und hergerissen. Während die
Regierungschefin Julia Timoschenko nach anfänglichem Schweigen sich damit
begnügte, die Solidarität mit der "demokratisch gewählten georgischen
Führung" zu verkündeten und betonte, dass die "Souveränität und
territoriale Integrität Georgiens bewahrt werden müssen", reiste Präsident
Juschtschenko mit anderen Staats- und Regierungschefs aus Osteuropa nach
Tiflis, um Georgien den Rücken zu stärken. Und das ukrainische
Außenministerium drohte sogar, den russischen Schiffen, die an
Kampfhandlungen teilgenommen haben, die Rückkehr nach Sewastopol zu
verweigern. Dort ist die russische Schwarzmeerflotte stationiert.
Dies war zwar eine symbolische Erklärung, denn dafür fehlen Kiew sämtliche
Hebel. Trotzdem reagierte Moskau heftig. Für eine Verschärfung der Tonlage
im ohnehin belasteten Verhältnis zwischen der Ukraine und Russland sorgte
am Donnerstag ein Präsidialdekret, das das Auslaufen russischer Schiffe aus
ukrainischen Stützpunkten einschränkt.
Der Stützpunkt der russischen Marine in Sewastopol ist vielleicht das
wirksamste Instrument im geopolitischen Spiel Moskaus. Der Kaukasuskrieg
hat gezeigt, dass der Kreml den Einsatz der Flotte in einem regionalen
Konflikt nicht scheut. Immerhin sind in der Ukraine mehr als 30
Kriegsschiffe, 20 Kampfflugzeuge und offiziell 14.000 Marinesoldaten
stationiert. Das Präsidialamt spricht von 10.000 weiteren russischen
Militärs, die sich derzeit unangemeldet auf der Krim aufhalten.
In Kiew fühlt man sich alleingelassen. Die Strategie Europas gegenüber
Moskau hält man hier für gefährlich. Der jüngste Krieg bestätigt die
Ukrainer in dieser Einschätzung. Viele halten heute den Beschluss des
Nato-Gipfels in Bukarest, der Ukraine und Georgien keinen Aktionsplan für
die Nato-Mitgliedschaft anzubieten, für einen großen Fehler. Eine
Mitgliedschaft Georgiens und der Ukraine im westlichen Verteidigungsbündnis
ist nun in noch weitere Ferne gerückt. Denn für den Westen ist derzeit Gas
offensichtlich wichtiger als der Einsatz für Demokratie.
15 Aug 2008
## AUTOREN
(DIR) Juri Durkot
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) Georgien und die neuen Kalten Krieger: "Das ist nicht 1968"
17 Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion ist der Streit um die
Neuaufteilung der Welt voll entbrannt. Mit 1968 ist 2008 aber nicht zu
vergleichen.
(DIR) Interview zur Lage Georgiens: "Es gibt viel Unterstützung"
m Kaukasus-Krieg entscheidet sich mehr als die Zukunft Georgiens, sagt die
georgische Politikerin Nino Burdschanadse. Es geht um eine neue
Weltordnung.
(DIR) Der Krieg und die kleinen Kaukasusstaaten: Seismografische Auswirkungen
Aserbaidschan und Armenien, Moldova und Transnistrien: die bestehenden
Konflikte in den kleineren Kaukasusrepubliken werden angeheizt
(DIR) Waffenstillstand in Georgien greift nicht: Die Russen sind immer noch da
Trotz angekündigten Abzugs der Soldaten gibt es in Gori, Poti und Sugdidi
russisches Militär. Von Explosionen wird berichtet. Unterdessen
verschlechtert sich die Beziehung zwischen Russland und den USA.