# taz.de -- Befangener Richter: Zweite Runde im Pirate-Bay-Prozess
> Dem Richter im Pirate-Bay-Prozess wird Befangenheit vorgeworfen. Er sitzt
> in Vereinigungen, die für eine Stärkung des Urheberrechts kämpfen. Die
> Verteidigung will nun einen neuen Prozess.
(IMG) Bild: Er, befangen? Findet er nicht: Richter Tomas Norström.
STOCKHOLM taz | Der Richter, der am vergangenen Freitag die
Pirate-Bay-Macher zu einem Jahr Knast verurteilte, ist ein aktiver Kämpfer
für ein stärkeres Urheberrecht. Er sitzt in mehreren Vereinigungen, die
sich der Verteidigung und Ausweitung des Copyrights verschrieben haben. In
einer davon ist er Vorstandsmitglied. Dass er in dem Verfahren gegen Pirate
Bay deshalb nicht der gänzlich unparteiische Richter gewesen sein könnte,
liegt auf der Hand. Die Verteidigung will deshalb nun, dass der ganze
Prozess mit einem neuen Richter noch einmal von vorne beginnen soll.
Sie kannten sich gut, die Vertreter der schwedischen Musik- und
Filmbranche, die im Prozess gegen Pirate Bay neben dem Staatsanwalt saßen
und millionenschwere Schadensersatzforderungen geltend machten, und der
Vorsitzende Richter Tomas Norström. Sie treffen sich regelmäßig in
Vereinigungen wie „Schwedische Vereinigung für Urheberrecht“ (SFU) und
„Schwedische Vereinigung für industriellen Rechtsschutz“ (SFIR) in denen
sie Mitglieder sind. Dort wird darüber diskutiert, wie das Urheber- und
Patentrecht verteidigt oder gar noch weiter ausgebaut werden kann.
„Befangenheit“ heißt es im Prozessrecht, wenn es auch nur begründete
Zweifel daran geben kann, dass ein Richter ganz unvoreingenommen in dem
Rechtsstreit ist, den er entscheiden soll. Als die Rechtsanwälte der
Angeklagten „Piraten“ im vergangenen Herbst herausgefunden hatten, dass
einer der eingeplanten Schöffen für den Prozess Beziehungen zur
Musikbranche hatte, stellten sie deshalb einen Befangenheitsantrag. Worauf
dieser Schöffe auch tatsächlich ausgewechselt wurde. Seine eigenen
Copyright-Verbindungen hat Richter Norström auf der beim Amtsgericht
geführten offiziellen Liste über „Nebenbeschäftigungen“ nicht aufgeführt
und sie waren der Verteidigung deshalb auch nicht bekannt. Was vielleicht
trotzdem ihre Sache gewesen wäre zu untersuchen, deckten am Donnerstag
stattdessen JournalistInnen des schwedischen Rundfunks auf: Der Richter ist
in Interessenorganisationen einer der Parteien.
„Der Richter hätte von sich aus auf diesen Sachverhalt aufmerksam machen
und sich selbst wegen Befangenheit ablehnen sollen“, meint der nicht im
Pirate-Bay-Prozess beteiligte Rechtsanwalt Leif Silbersky. Eine
Einschätzung, der sich auch der ehemalige Justizombudsmann Rune Lavin und
andere KritikerInnen anschließen. Erik Bylander, Lektor für Prozessrecht an
der Handelshochschule Göteborg: „Gerade in einem Prozess, der so viel
Aufsehen erregt, ist es speziell wichtig, dass auch nicht nur der Schatten
eines Verdachts auf den Richter fällt, er könne parteiisch sein.“ Und er
verweist auf mehrere Entscheidungen des europäischen
Menschenrechtsgerichtshofs, wo Urteile aufgehoben worden waren, wenn
Angeklagte auch nur den nicht von der Hand zu weisenden Eindruck gehabt
haben könnten, ein Gericht könne nicht unparteiisch gewesen sein.
Richter Norström selbst sieht sich nicht als befangen an. Er habe sich –
„wie bei jedem Prozess“ – diese Frage zwar selbst gestellt, aber verneint.
Was laut Bylander zum einen keine Rolle spielt, ihn zum anderen aber
verwundert: „Ich frage mich schon, warum er gerade in so einem Prozess
nicht vorsichtiger war.“ Peter Althin, Verteidiger einer der Angeklagten,
wird in der bereits angekündigten Berufung gegen das Urteil in erster Linie
nun auf die mögliche Befangenheit des Richters plädieren. Und einen
Neubeginn des Prozesses von Anfang an fordern: „Sonst geht uns die erste
Gerichtsinstanz verloren.“ Dass der Richter sich nicht selbst für befangen
hielt, verwundert Althin nicht nur, „das überrascht und erschreckt mich
sogar“.
„Korruption auf allerhöchstem Niveau“ urteilt Rick Falkvinge, Vorsitzender
der schwedischen Piratenpartei: Ein Richter sitze in der Lobbyorganisation
einer der Parteien eines Rechtsstreits. Und finde dies auch noch ganz in
Ordnung. Man stelle sich den Aufstand vor, wenn sich herausgestellt hätte,
er wäre in einer Vereinigung zur Lockerung des Urheberrechts aktiv.
23 Apr 2009
## AUTOREN
(DIR) Reinhard Wolff
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