# taz.de -- Schweden nach Pirate-Bay-Urteil: Rückenwind für Piraten
       
       > Der Piratenpartei verschafft die Empörung über das Pirate-Bay-Urteil
       > Auftrieb: Sie könnte es ins EU-Parlament schaffen. Auch Internetprovider
       > wehren sich gegen Eingriffe.
       
 (IMG) Bild: Netzpiraten-Sympathisanten in Stockholm.
       
       STOCKHOLM „Das Urteil ist für uns die Fahrkarte ins EU-Parlament.“
       Christian Engström, stellvertretender Vorsitzender der schwedischen
       Piratenpartei ist sich sicher, dass die weit verbreitete Empörung von
       InternetuserInnen über das Gefängnisurteil gegen die Macher der Tauschbörse
       „Pirate Bay“ seiner Partei zugute kommen wird. Diese Empörung scheint weit
       verbreitet. Laut einer Blitzumfrage lehnen vier von fünf SchwedInen das
       Urteil ab. Zusammen mit der wachsenden Kritik über immer ausgeprägtere
       Zensur und Überwachung des Internets werde diese für viele Jugendliche ein
       Grund sein, zur EU-Wahl zu gehen, erwartet Engström: „Und viele werden für
       uns stimmen.“
       
       Die etwas über 100.000 Stimmen, welche der „Piratenpartei“ angesichts einer
       erwartet geringen Wahlbeteiligung vermutlich für einen der schwedischen
       Sitze im EU-Parlament schon reichen würden, scheinen tatsächlich erreichbar
       zu sein. Zumal die Partei mittlerweile bereits rund 25.000 MitgliederInnen
       hat. Damit an Mitgliederanzahl die viertstärkste schwedische Partei ist und
       insoweit beispielsweise Grüne oder Liberale weit hinter sich gelassen hat.
       Gegründet 2006 mit dem hauptsächlichen Programmpunkt, die Freiheit des
       Internets und seiner AnwenderInnen zu verteidigen, hat sie mittlerweile
       auch Nachahmer in anderen europäischen Ländern gefunden, darunter in
       Deutschland.
       
       Die Fahnen der „Piratenpartei“ wehten auch auf spontanen Demonstrationen,
       die am Samstag und Sonntag in mehreren schwedischen Städten gegen das
       „Pirate Bay“-Urteil stattfanden. Über 1000 Personen hatten sich
       beispielsweise in Stockholm versammelt. Die Transparente forderten nicht
       nur „Freiheit für Pirate Bay“ sondern kritisierten die wachsende
       Internetüber-wachung als „Internet-Stasi“. „Wir jungen Leute habe eine
       ganze Plattform mit allen unseren sozialen Kontakten im Netz. Das versucht
       der Staat zu kontrollieren und damit unser Privatleben“, sagte eine
       Rednerin.
       
       Am 1. April ist in Schweden ein neues Gesetz („Ipred“) in Kraft getreten,
       das die relative Internetanonymität, die es bis dahin dort noch gab,
       aushebelt. Mit der Begründung, es sei womöglich eine strafbare Handlung von
       einem Rechner begangen worden, können Privatpersonen und Unternehmen,
       beispielsweise Verlage oder Musiklabels über die Gerichte von
       Internetprovidern die Herausgabe von Namen und Adressen hinter der
       IP-Nummer eines Rechners verlangen. Ein erstes Musterverfahren ist von
       Hörbuch-Verlagen und einigen SchriftstellerInnen bereits anhängig gemacht
       worden.
       
       Doch Widerstand dagegen macht sich nicht nur in Form verschiedener
       Anonymisierungs-dienste bemerkbar, mit denen die IP-Adresse verschleiert
       werden kann: Die entsprechenden Anbieter melden teilweise eine
       Vervielfachung ihrer KundInnen. Auch viele Provider wehren sich gegen die
       Verpflichtung, die Daten ihrer KundInnen herausrücken zu sollen. Den Beginn
       machte der Internetdienstleister „Bahnhof“. Der ganz einfach die
       entsprechenden IP-Adressen nicht mehr lagert, so dass er Aufforderungen von
       Gerichten, diese herauszugeben nicht nachkommen kann. Sein Breitband
       verkauft „Bahnhof“ nun als „integritätsgeschützt“ und hat gleichzeitig eine
       „Integrity initiative“ gestartet. Der sich binnen weniger Tage bereits drei
       weitere schwedische Internetprovider angeschlossen haben. SurferInnen die
       ihre Anonymität bewahren wollen, haben nun eine Alternative. Aufgrund der
       Konkurrenzsituation zwischen den Providern wird erwartet, dass weitere
       Anbieter diesem Beispiel folgen werden.
       
       Der Schritt den die Provider gehen, ist durchaus legal. Datenschutzrecht
       verpflichtet sie sogar aus Integritätsgründen keine anderen, als für den
       Betrieb unbedingt notwendigen Daten zu speichern. Das neue „Ipred“-Gesetz
       fordert das Gegenteil. „Der Gesetzgeber scheint völlig den Überblick über
       Gesetze und Verordnungen mit widersprüchlicher Botschaft verloren zu
       haben“, sagt Ola Norberg, Chef von „Alltele“, dem fünftgrössten
       schwedischen Breitbandlieferanten. „Wir haben uns für den Schutz der
       Integrität entschieden.“
       
       19 Apr 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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