# taz.de -- "Modern Media Initiative": Island als Oase der Aufklärung
       
       > In Island wurde ein Gesetz angeschoben, mit dem das Land Journalisten aus
       > aller Welt helfen will, an Zensur und Geheimhaltung vorbeizukommen.
       
 (IMG) Bild: Paradiesische Zustände: Therme im Südwesten Islands.
       
       STOCKHOLM taz | Island soll weltweit der perfekte Platz für unabhängigen
       investigativen Journalismus werden. Ein Ort, der Publizisten und
       Journalisten helfen soll, die Grenzen zu überwinden, in die sie von ihren
       nationalen Gesetzgebungen allzu häufig eingezwängt werden. Sei es mit dem
       Argument der öffentlichen Sicherheit oder unter dem Vorwand des Schutzes
       angeblicher Eigentums- oder Persönlichkeitsrechte, die in der Praxis vor
       allem auf eine versteckte Zensur hinauslaufen. IMMI, "[1][Icelandic Modern
       Media Initiative]" nennt sich die Initiative und mit ihr will Island sich
       weltweit als eine Art Medienfreistaat profilieren.
       
       Der erste Schritt zur praktischen Umsetzung ist eine Resolution, die am
       heutigen Dienstag im isländischen Parlament eingebracht wird. In der wird
       die rot/rot-grüne Regierung beauftragt, ”Vorschläge zur Stärkung der
       Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit, sowie zur Schaffung eines
       starken Schutzes für Quellen und Informanten zu machen”.
       
       Ziel dieser Resolution, hinter der Abgeordnete aus fast allen
       Parlamentsparteien stehen und über die spätestens Ende nächste Woche
       debattiert und abgestimmt wird, ist eine neue Gesetzgebung, in der die
       weltweit besten Regelungen im Medienbereich verschmolzen werden sollen.
       
       Von größtmöglicher Transparenz bis zur Zensurfreiheit, von Immunität für
       Internetprovider bis zum Schutz von Whistleblowern, von einem umfassenden
       Gegendarstellungsrecht einerseits bis zu hohen Hürden für potentiell
       ruinöse Verleumdungsklagen andererseits.
       
       Die Idee zu dieser Initiative kommt aus dem Umfeld von [2][WikiLeaks]. Dem
       Internetprojekt, das es sich zur Aufgabe gemacht hat "denen zur Seite
       stehen, die unethisches Verhalten in ihren eigenen Regierungen und
       Unternehmen enthüllen wollen".
       
       "Wir haben in verschiedenen Ländern gute Gesetze gefunden", berichtete
       Julian Assange, WikiLeaks-Aktivist in einem Interview mit der britischen
       BBC, "aber kein Land, in dem sie alle miteinander vereint sind." Ein Team
       internationaler ExpertInnen soll Islands Regierung bei einer solchen
       "Verschmelzung" und der praktischen Umsetzung in Gesetzesform helfen.
       
       Ein Zufall ist es nicht, dass die Idee zu einer Medienfreiheitsoase nun auf
       Island realisiert werden soll. Auf der Nordatlantikinsel hat man hautnah
       erfahren, was unabhängige Medien bedeuten können. Und deren Fehlen. Hätte
       doch eine von politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten freie Presse
       vermutlich zumindest einen Teil der Auswüchse verhindern können, die das
       Land in die ”finanzielle Kernschmelze” gestürzt haben, meint Birgitta
       Jónsdóttir.
       
       Und dieser Machtklüngel aus Politik, Justiz, Finanzwelt und Medien drohe
       nun auch eine Aufarbeitung des Beinahe-Staatsbankrotts und das zur
       Verantwortungziehen der Schuldigen zu torpedieren: ”Die Grosskriminellen
       und Architekten des Crashs haben einen geschützten Status in der
       Gesellschaft und noch volle Kontrolle über ihre Vermögen.”
       
       Jónsdóttir, Schriftstellerin, Künstlerin und [3][laut ihrer Webbseite]
       "alles, nur keine traditionelle Politikerin", ist seit 8 Monaten
       isländische Parlamentsabgeordnete. Auf der Welle der Wut über die
       etablierten Parteien war sie bei den damaligen Neuwahlen auf der Liste der
       neugegründeten ”Borgarahreyfingin“ (”Mitbürgerbewegung”) ins Althing
       gewählt worden. Und ist nach einer Fraktionsspaltung nun eine von drei
       Abgeordneten der ”Hreyfingin” (”Bewegung”). Sie ist eine der InitiatorInnen
       von IMMI, die die 42-jährige ”als Teil des moralischen Neuanfangs”, sieht,
       ”den wir so dringend benötigen”.
       
       Island, das künftige ideale Land für den Sitz investigativer Online-Medien
       oder zumindest den Standort von deren Servern? ”In meiner Arbeit bei der
       Untersuchung von Korruption habe ich erfahren, wie wichtig es ist, robuste
       Mechanismen zu haben, um Informationen an die Öffentlichkeit zu bringen”,
       unterstützt die als”Korruptionsjägerin” bekannt gewordene Ex-Richterin und
       jetzige grüne EU-Parlamentsabgeordnete Eva Joly die IMMI-Initiative:
       ”Island, mit seinen neuen Perspektiven und mutigen, unabhängigen Menschen,
       scheint der perfekte Ort, um solche Bemühungen im Hinblick auf globale
       Transparenz und Gerechtigkeit zu initiieren.”
       
       16 Feb 2010
       
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