# taz.de -- FDP-Chef legt nach: Westerwelles Wut auf "linken Zeitgeist"
> In der Debatte über seine Kritik am Sozialstaat gibt sich Außenminister
> Westerwelle unbeirrt. Die SPD warnt vor außenpolitischem Schaden für
> Deutschland durch den "sozialpolitischen Brandstifter".
(IMG) Bild: In Hochform: FDP-Chef Guido Westerwelle.
BERLIN apn/dpa/afp | FDP-Chef Guido Westerwelle rechnet mit großem Rückhalt
für seine Kritik am deutschen Sozialstaat. "Die Zustimmung aus der
Bevölkerung ist enorm. Die Menschen wollen die Wahrheit hören", sagte der
Vizekanzler dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Die meisten Menschen fänden es
unerträglich, wenn jemand mit Arbeit weniger habe als ein Arbeitsloser.
Westerwelle betonte, dass er sich von der breiten Entrüstung über seine
Äußerungen nicht beirren lasse. "Wenn jemand den Finger in die Wunden des
linken Zeitgeistes legt, ist die Empörung immer groß", sagte der
Außenminister. Es könne nicht so weitergehen, dass 45 Prozent der
Bundesausgaben in den Sozialhaushalt gingen. "Das mag linken Kommentatoren
nicht passen. Aber darauf kommt es nicht an."
Westerwelle ging nicht auf die Frage ein, ob Bundeskanzlerin Angela Merkel
zu seinen Gunsten in die Debatte eingreifen sollte. "Jeder hat seinen
eigenen Stil. Ich möchte in der Regierung gestalten. Dazu gehört auch, vor
Fehlentwicklungen zu warnen", sagte der FDP-Chef. Wer den Sozialstaat zu
lange überfordere, zerstöre ihn.
Auch die Frage, ob die Kanzlerin in der geplanten Bundestagsdebatte zur
Sozialpolitik Stellung nehmen sollte, ließ Westerwelle offen. "Es ist
jedermanns Recht, sich an einer solchen Debatte zu beteiligen - im
Bundestag wie in der gesamten Gesellschaft", sagte er. Von Westerwelles
Wortwahl hatte sich Merkel vergangene Woche distanziert, inhaltlich hat
sich die Kanzlerin bislang nicht zu der Diskussion geäußert.
Die SPD warnt nun auch vor außenpolitischem Schaden für Deutschland
aufgrund der Äußerungen des FDP-Chefs. "Westerwelle läuft mit seinen
Auftritten Gefahr, das Bild einer seriösen deutschen Außenpolitik zu
beschädigen", warnte der außenpolitische Sprecher der
SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich. "Die Lautstärke nach innen bei
gleichzeitigem Bemühen, bei Reisen vor allem nur eine gute Figur zu machen,
wird im Ausland mehr und mehr belächelt."
Mützenich mahnt: "Angesichts der Aufgaben im Nahen Osten, in Afghanistan,
bei der Abrüstung und im Verhältnis zu Russland sowie der Herausforderungen
einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik muss der Kopf frei sein von
kalkuliertem innenpolitischem Streit. Wir brauchen einen Außenminister, der
sich den internationalen Problemen nicht nur gelegentlich stellt."
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel nannte Westerwelle einen
"sozialpolitischen Brandstifter". Mit seinem frontalen Angriff auf
Hartz-IV-Bezieher gefährde der FDP-Chef den sozialen Frieden in
Deutschland, sagte Gabriel der "Frankfurter Rundschau". Damit wolle
Westerwelle nur von den eigentlichen Sozialbetrügern ablenken: "Das sind
jene, die die Finanzskandale bei den großen Banken und auf dem
Investmentsektor verursacht haben. Und jene, die ihr Geld illegal in die
Schweiz schaffen."
"Das sind die wirklichen Sozialbetrüger und die Klientel von Herrn
Westerwelle", sagte Gabriel weiter. Die FDP verhindere nun bewusst, dass
die hehren Versprechungen der Kanzlerin für eine Finanzmarktregulierung
oder die Manager-Haftung umgesetzt werden. Stattdessen zettele der
FDP-Vorsitzende einen Scheinkrieg an gegen die Hartz-IV-Bezieher. Der
Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland wolle die Steuergeschenke für
seine Klientel finanzieren durch Kürzungen bei den Ärmsten der Armen.
Gabriel warf zugleich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, sich zwar
von Westerwelles Wortwahl zu distanzieren, nicht aber von dessen Zielen.
Westerwelle treibt mit seiner umstrittenen Warnung auch einen Keil in die
Union. Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) warf
Westerwelle Gepolter mit wenig Inhalt vor. "Wer keine konstruktiven Ideen
hat, macht eben Getöse", sagte sie der "Leipziger Volkszeitung". Die FDP
habe zum Thema Sozialstaat bisher nichts beigesteuert, was die Gesellschaft
weiterbringe. Dagegen verlangte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich
am Dienstag Fairness.
"Ich finde, man sollte auch fair mit so einem Text, den er geschrieben hat,
umgehen und mit dem, was er wirklich gemeint hat, nämlich, dass wir uns
Gedanken machen müssen darüber, wie wir diesen Sozialstaat finanzierbar
halten", sagte Friedrich dem RBB-Inforadio. Die Botschaft, es könne auch
Wohlstand geben ohne etwas zu leisten, wäre die falsche. "Da muss man ihm
zustimmen."
Der FDP-Chef moniert die Höhe der Sozialausgaben und fordert genug Abstand
zwischen Lohn und Sozialleistungen. Empörung löste er mit diesem Satz aus:
"Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer
Dekadenz ein." Er fordert eine Generaldebatte im Bundestag über soziale
Gerechtigkeit.
16 Feb 2010
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